Alexander Zverev schlenderte in Olympia-Badelatschen durch die New Yorker Dunkelheit und fieberte bereits der Chance auf die große Revanche bei den US Open entgegen. Nach dem souveränen Viertelfinaleinzug über den Amerikaner Brandon Nakashima will es der Olympiasieger von 2021 nun gegen Taylor Fritz besser als noch beim bitteren Wimbledon-Aus vor knapp zwei Monaten machen.
„Ich freue mich auf einen weiteren harten Kampf“, sagte Zverev über das bevorstehende Duell mit dem US-Profi auf dem Weg zum erhofften ersten Grand-Slam-Titel. „Ich erwarte, dass es nochmal ein sehr, sehr toughes Match wird, ein schönes Battle - hoffentlich mit einem anderen Resultat als in Wimbledon.“
Mit dem 3:6, 6:1, 6:2, 6:2 im Achtelfinale gegen den Außenseiter Nakashima feierte Zverev nicht nur seinen 450. Sieg auf der ATP-Tour. Der 27-Jährige qualifizierte sich auch vorzeitig für die ATP Finals der besten acht Spieler der Saison Mitte November. Bei anfangs 28 Grad und hoher Luftfeuchtigkeit überstand Zverev sowohl eine eigene Schwächephase im ersten Satz, einen Schreckmoment beim Umknicken im vierten Durchgang als auch eine plötzliche Fliegen-Invasion kurz vor Schluss schadlos.
Als die Insekten in Scharen durch das Louis Armstrong Stadium flogen, musste Zverev seinen Aufschlag abbrechen. Er wedelte sie weg und holte ein Exemplar unter seinem ärmellosen Shirt hervor. „Das waren so Riesendinger, das habe ich hier das erste Mal gesehen“, berichtete er. „Das waren keine Mücken, keine Bienen - ich weiß nicht, was das war: Fliegende Ameisen oder so?“
Zverev ließ sich nicht aus dem Konzept bringen. Auch nicht, als der Hamburger sich beim Stand von 3:1 im letzten Satz den rechten Fuß vertrat und kurze Zeit humpelte. Ohne dauerhafte sichtbare Beeinträchtigung zeigte er jedoch bis zum verwandelten Matchball nach 2:36 Stunden keine Schwächen.
Nach der Partie gab Zverev, der 2022 noch mit einer schweren Knöchelverletzung monatelang ausgefallen war, Entwarnung: „Ich habe einen komischen Schritt gemacht, bin leicht umgeknickt. Aber es ist alles in Ordnung, nichts worüber man sich sorgen muss.“
Damit bleibt Zverev wohl ein Schicksal wie noch beim Rasen-Klassiker erspart. Mit einer Knieverletzung aus dem vorigen Match war er angeschlagen in das Wimbledon-Achtelfinale gegen Fritz gegangen. „Jetzt bin ich gesund, das ist der große Unterschied“, betonte er. Fritz setzte sich gegen den an Nummer acht gesetzten Norweger Casper Ruud 3:6, 6:4, 6:3, 6:2 durch und steht zum zweiten Mal im Viertelfinale von New York.
Von neun Duellen mit dem Weltranglistenzwölften gewann der Deutsche fünf - beim bislang letzten Aufeinandertreffen in Wimbledon drehte der Amerikaner allerdings noch einen Zwei-Satz-Rückstand zum Sieg. „Zwischen uns geht es immer hin und her“, sagte der 26-Jährige in New York über seine sportliche Rivalität mit Zverev. „Wir spielen knappe Matches. Es kann in jede Richtung gehen. Es hängt viel vom Aufschlag ab.“
Im Achtelfinale lief es mit dem Service bei Zverev. Nur im ersten Satz kassierte der 1,98 Meter große Hüne ein Break, gestattete dem Weltranglisten-50. Nakashima im kompletten Match keine weitere Chance, ihm den Aufschlag abzunehmen.
„Er hat sich nicht nach dem verlorenen ersten Satz aus der Ruhe bringen lassen. Was er im dritten und vierten Satz zelebriert hat, habe ich von ihm seit langem nicht gesehen“, sagte Boris Becker als Experte bei Sportdeutschland.TV über Zverevs Leistung gegen Nakashima. „Das war Tennis auf höchstem Niveau.“
Dieses muss Zverev für eine Titelchance im weiteren Verlauf der US Open aber schon früher zeigen. Gegen Nakashima nutzte die deutsche Nummer eins erst den neunten Breakball zum 2:0 im zweiten Satz. Nakashima ließ deutlich nach, Zverev wurde wie schon in der dritten Runde gegen den Argentinier Tomás Martin Etcheverry nach verlorenem ersten Satz immer sicherer. Souverän zog er davon, konterte die Angriffe seines Gegners immer wieder mit passgenauen Passierbällen.
Nach dem Gewinn des zweiten Durchgangs holte er sich stark verschwitzt bei seinem Vater und Trainer Alexander Zverev Senior ein neues Paar Schuhe. Frisch umgezogen lief es noch besser. Nakashima fand kein Mittel mehr gegen das druckvolle Grundlinienspiel von Zverev.
Zu Beginn des vierten Durchgangs bäumte sich der 23-jährige Amerikaner noch einmal kurz auf, doch spätestens mit dem Break zum 1:2 war alle Gegenwehr gebrochen. Mit großem Selbstbewusstsein zog Zverev sein Spiel durch und durfte jubeln. „Ich bin sehr froh, dass ich weiter bin“, sagte er auf dem Platz. Nun hofft er auf drei weitere Siege und damit den ersten Grand-Slam-Triumph. „Ich tue alles dafür, was ich kann. Ich gebe alles, hoffentlich ist es an einem Punkt meiner Karriere so weit.“
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