So stellen sich Modernisierer der Leichtathletik das vor: eine gute Show, ein bestens inszeniertes Duell zweier Stars, und nach eineinhalb Stunden ist alles schon wieder vorbei. Das 100-Meter-Rennen zwischen Stabhochsprung-Ass Armand „Mondo“ Duplantis und Hürden-Weltrekordler Karsten Warholm in Zürich bot beste Abendunterhaltung. Und mit seiner Siegerzeit von 10,37 Sekunden hätte Duplantis bei Olympia in Paris noch so manchen Spezialisten in den Vorläufen locker abgehängt. Auch die 10,47 Sekunden von Warholm waren noch aller Ehren wert.
Das vom Getränkehersteller Red Bull im eigenen TV-Kanal übertragene Rennen wurde seit Tagen medial beworben. Die Zuschauer auf der Haupttribüne im altehrwürdigen Letzigrund von Zürich wurden mit einem Unterhaltungsprogramm und Interviews mit anderen Leichtathletik-Größen eingestimmt.
Derartige Formate dürften das sein, was sich Weltverbands-Präsident Sebastian Coe künftig vorstellt. „Wir sind als Sportart viel zu konservativ“, sagte der einstige britische Mittelstrecken-Star vor den Weltmeisterschaften im vergangenen Jahr dem „Spiegel“ und urteilte über die WM in seiner Sportart unverblümt: „Ein neuntägiger Wettbewerb, bei dem täglich drei- bis vierstündige Sessions ausgetragen werden - so was schauen sich doch nur noch Puristen wie ich an.“
Dem entgegen steht die Begeisterung bei den Olympischen Spielen in Paris. Stets 70.000 lautstark mitgehende Zuschauer im Stade de France machten schon die Vormittagsveranstaltungen zu einer unvergesslichen Erfahrung auch für die meisten Athletinnen und Athleten. Eine bessere Werbung hätte sich die Leichtathletik in ihrer alten Form gar nicht wünschen können.
Coe indes betonte schon vor einem Jahr vor der WM: „Ich befürchte, ein solches Format passt einfach nicht mehr zum Lebensstil jüngerer Menschen, die viel eher an schnelleren Veranstaltungen interessiert sind und an entsprechenden digitalen Inhalten, die gut aufbereitet sind.“
Das Event von Zürich am Tag vor dem traditionellen Meeting bot genau dies. Im Mittelpunkt standen - in Bademänteln präsentiert wie Boxer vor dem Kampf - zwei der bekanntesten Protagonisten, die die Leichtathletik seit dem Abschied des kaum zu ersetzenden Usain Bolt zu bieten hat. Duplantis arbeitet daran, nicht nur mit Titeln und Weltrekorden noch bekannter zu werden. Der 24-Jährige postete nachts noch ein Foto von sich - in der Badewanne liegend.
In Deutschland schwingt sich Zehnkämpfer Leo Neugebauer auf, das Gesicht der hiesigen Leichtathletik zu werden. Der in den sozialen Medien sehr aktive Olympia-Zweite berichtete, er werde mittlerweile hierzulande ständig erkannt. Um Neugebauer zu präsentieren, fand beim Berliner Istaf extra ein Dreikampf statt, mit dem abschließenden 1.500-Meter-Lauf als Verfolgungsrennen. Neugebauer lief als Erster ins Ziel und war damit für 40.000 Zuschauer sofort als Sieger erkennbar. Ex-Zehnkämpfer und ARD-Experte Frank Busemann betonte, für einen solchen Modus plädiere er schon seit längerer Zeit.
Auch Coe ist ein Verfechter davon, die Sportart verständlicher und zugänglicher zu machen und ihr die Langatmigkeit zu nehmen. Eine Idee aus dem Weltverband ist, beim Weitsprung den Balken durch eine Absprungzone zu ersetzen und damit die Zahl der Fehlversuche zu verringern. Ausprobiert wurde dies - und einiges mehr - beim Meeting in Fribourg in der Schweiz am vorigen Sonntag. So gab es ein Hindernisrennen über 1.600 statt über 3.000 Meter. Ein Versuch im Speerwurf wurde nur bei einer Verbesserung gemessen.
Eine eigene Serie mit Laufveranstaltungen will der einstige 200- und 400-Meter-Star Michael Johnson aus den USA aufziehen. Die als Grand Slam Track firmierende Serie soll ab 2025 viermal im Jahr über jeweils drei Tage stattfinden und insgesamt 12,6 Millionen Dollar Preisgeld an die Athletinnen und Athleten ausschütten. Hürden-Olympiasiegerin Sydney McLaughlin-Levrone hat schon zugesagt, ebenso alle Medaillengewinner über 1.500 Meter der Männer, weitere Verpflichtungen sind angekündigt. „Die Welt wartet auf so etwas, und wir können diese Lücke füllen“, sagte Johnson bei der Vorstellung der Pläne. Das muss sich noch zeigen.
Der Weltverband hält mit einer neuen, dreitägigen WM dagegen, die erstmals im September 2026 in Budapest und dann alle zwei Jahre steigen soll. Weltmeister, Olympiasieger, Diamond-League-Gewinner und die leistungsstärksten Athleten des Jahres treten gegeneinander an, um den „ultimativen Champion“ zu küren. Ausgeschüttet werden sollen zehn Millionen Dollar Preisgeld. Für Duplantis und Warholm dürfte sich schon ihr Duell am Mittwochabend auch finanziell gelohnt haben.
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