In Argentinien hat ein Generalstreik gegen Reformen der neuen ultraliberalen Regierung von Präsident Javier Milei weite Teile des öffentlichen Lebens lahmgelegt. Landesweit protestierten am Mittwoch Medienberichten zufolge Tausende Menschen. Vor dem Nationalkongress in der Hauptstadt Buenos Aires gab es eine Kundgebung. „Wir werden keinen Schritt zurückgehen“, sagte Héctor Daer, einer der Führer der Gewerkschaft CGT. „Das Vaterland ist nicht zu verkaufen.“
Auch andere Gewerkschaften hatten sich dem Protest angeschlossen. So waren viele Bereiche wie das Transportwesen, die öffentliche Verwaltung oder das Gesundheitswesen betroffen. Flüge wurden gestrichen. Banken hatten ab mittags geschlossen und der öffentliche Nahverkehr sollte bis Mitternacht eingestellt werden. Der letzte Streik des linken peronistischen Gewerkschaftsbunds war im Mai 2019.
Der Protest richtete sich unter anderem gegen ein von Milei unterzeichnetes Notstandsdekret mit 30 Maßnahmen, das die Aufhebung mehrerer Gesetze zur Regulierung des Arbeits- und Immobilienmarktes vorsieht. Einen Teil der Verordnung haben argentinische Gerichte allerdings schon wieder rückgängig gemacht.
Der Generalstreik wandte sich zudem gegen ein großes Reformpaket, das die Regierung Ende Dezember dem Kongress vorgelegt hatte und die Ausrufung eines „öffentlichen Notstandes“ vorsieht. Damit würde die Regierung weitreichende Befugnisse erhalten, über Fragen zu entscheiden, die aktuell nur vom Parlament geregelt werden können. Bereits im Dezember waren in mehreren Städten zahlreiche Menschen dagegen auf die Straßen gegangen.
Das umstrittene Reformpaket soll am Donnerstag im Kongress behandelt werden. Sicherheitsministerin Patricia Bullrich bezeichnete die Gewerkschafter als „mafiös“. Sie würden sich dem Wandel widersetzen, den die Gesellschaft demokratisch beschlossen habe. „Kein Streik kann uns aufhalten, keine Drohung kann uns einschüchtern“, sagte sie. Da Mileis Partei im Parlament keine Mehrheit besitzt und um der Opposition entgegenzukommen, hat die Regierung den ursprünglichen Gesetzentwurf in den vergangenen Tagen massiv überarbeitet. So wurden über 140 Gesetzesartikel von der ursprünglichen Fassung gestrichen.
Argentinien steckt in einer schweren Wirtschaftskrise. Die Inflationsrate liegt bei über 200 Prozent, rund 40 Prozent der Menschen in dem einst reichen Land leben unterhalb der Armutsgrenze. Die zweitgrößte Volkswirtschaft Südamerikas leidet unter einem aufgeblähten Staatsapparat, geringer Produktivität der Industrie und einer großen Schattenwirtschaft, die dem Staat viele Steuereinnahmen entzieht. Die Landeswährung Peso verliert gegenüber dem US-Dollar immer weiter an Wert, der Schuldenberg wächst ständig.
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