Der 7. Dezember beginnt für Thomas T. mit einer Überraschung der unangenehmen Art: In den frühen Morgenstunden brechen Polizisten seine Terrassentür auf, durchsuchen Haus und Grundstück - und nehmen den Mann fest.
Thomas T. wohnt in einem übersichtlichen Ort zwischen Ansbach und Rothenburg, führt ein unauffälliges Leben als Handwerker und Familienvater - und soll nach Vorwürfen der Bundesanwaltschaft Mitglied einer terroristischen Vereinigung sein. Mehr noch, nach Ansicht des Generalbundesanwalts soll er besten Kontakt zur Spitze der Gruppe gehabt haben: Als persönlicher Referent des Oberhaupts einer Reichsbürger-Verschwörung, die in Deutschland den Umsturz geplant haben soll.
Die Polizei hat ihn deshalb in der bundesweit beispiellosen Großrazzia vergangene Woche zusammen mit Dutzenden weiteren mutmaßlichen Verschwörern festgenommen. 23 Menschen, darunter Thomas. T., sitzen seitdem in Untersuchungshaft. Zwei blicken im Ausland einer Auslieferung entgegen.
Im Wohnort von T. ist eine Woche nach der Aktion wieder Ruhe eingekehrt. Schneeflocken tanzen in der Einfahrt zum Grundstück, das Scharren von Schneeschaufeln hallt durch das Neubaugebiet. Ein Schild mit einer durchgestrichenen Kamera prangt an T.s Hauswand. Die kaputte Terrassentür hat die Feuerwehr notdürftig mit einer Holzplatte verkleidet - die Polizei hatte das nach der Durchsuchung veranlasst. Im Ort heißt es, die Beamten hätten Laptops mitgenommen. Die Bundesanwaltschaft äußert sich dazu nicht.
Was eine Sprecherin sagt, ist: „Es wurden insgesamt über 90 Waffen sichergestellt.“ Das beziehe sich aber auf die bundesweite Aktion, nicht auf Thomas T.s Anwesen.
In der Gemeinde gibt die Geschichte Rätsel auf. Thomas T., der Mitverschwörer einer Gruppe, die mit Waffengewalt in den Bundestag eindringen wollte, wie es ihr die Bundesanwaltschaft vorwirft? Mitglied einer geheimen Vereinigung, die bei ihren Umsturzplänen auch Todesopfer einkalkuliert habe? Die womöglich sogar an Exekutionen gedacht haben soll?
„Das hat keiner gedacht“, sagt einer, der in der Ortschaft wohnt. Er beschreibt wie viele andere auch den Mann als eher zurückgezogen, mit keinen engen Freundschaften im Ort - aber als Familienmenschen. Im Garten habe er einen Pool für seine Kinder platziert, sagt eine Anwohnerin. Sei um möglichen Lärm seines Betriebs besorgt gewesen, berichtet einer. Und nett gegrüßt habe er auch immer. Bei der Gemeinde fiel er nicht mit staatsablehnendem Verhalten auf, wie es bei Reichsbürgern oft üblich ist.
Gleichzeitig kursieren auch andere Gerüchte. Etwa das über einen bundesweit agierenden Motorradclub mit kriminellem Umfeld, in dem T. Mitglied gewesen sein soll. Damals, bevor er vor einigen Jahren in den Landkreis Ansbach gezogen war. Ebenso seine mögliche Bekanntschaft mit Peter Wörner.
Der 54-Jährige agierte als Survival-Experte, gab Überlebenstrainings und Kurse in „Krisenvorsorge“. Über Fernsehsendungen war Wörner schon einem breiteren Publikum bekannt. Jetzt ist er es als weiterer mutmaßlicher Mitverschwörer der Reichsbürger-Gruppe. Die Polizei nahm auch Wörner im Zuge der Razzia fest. Er soll laut Bundesanwaltschaft Teil des „militärischen Arms“ der Vereinigung gewesen sein. Zusammen mit anderen habe er etwa Waffen besorgen und Schießübungen organisieren sollen.
Anfang der 2010er-Jahre lebte Wörner nach FLZ-Informationen im Landkreis Ansbach. Erst nahe Leutershausen, dann bei Geslau. Laut einem Bericht des Bayerischen Rundfunks soll Wörner zu diesem Zeitpunkt schon Kontakte zur rechtsextremen Szene gehabt haben. Während der Corona-Krise schrieb er in einem Blog von einer „Impf-Apartheid“ und anderen verschwörungstheoretischen Begriffen.
Mit seinen Kursteilnehmern sei Wörner immer wieder zu Gast in einem Wirtshaus im Wohnort von Thomas T. gewesen, heißt es von Anwohnern. Eine sagt, sie habe Wörner und T. zusammen gesehen. Auch von einem Interesse T.s für Selbstverteidigung ist zu hören.
Wie T. auf den vermeintlichen Anführer der Verschwörungsgruppe, Heinrich XIII. Prinz Reuß, gestoßen sein soll, ist bislang unklar. Auch zu seiner kolportierten Rolle als „rechte Hand“ des Querdenkers hüllt sich der Generalstaatsanwalt noch in Schweigen.
Die Verteidiger von Thomas T. und von Peter Wörner waren bislang für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.