Toller Blick aufs Meer, aber schweißtreibende Anstiege und haarige Abfahrten. Es muss nicht nur das harte Trainingslager auf Mallorca sein, wenn von Radreisen die Rede ist. Längst bieten viele Veranstalter Radreisen für Naturliebhaber an, die nicht hart trainieren wollen.
„Der Trend geht dabei zu individuellen Touren“, sagt Barbara Merz-Weigandt. Mit dem Fahrrad lassen sich weite Strecken zurücklegen. „Die Reisenden sind aber langsam genug, um die Umgebung mit all ihren Gerüchen und Menschen mitzubekommen, ein tolles Gefühl. Das ist das Schöne an Radreisen“, sagt die Chefredakteurin von „MyBike“, einem Magazin für Alltags- und Tourenradfahrer.
„Bei Individualreisen kann der Reisende über den Veranstalter meist eine auf ihn zugeschnittene Tour buchen“, sagt Kathleen Lumma. „Bei Gruppenreisen muss er sich hingegen der Gruppe anpassen“, sagt die Geschäftsführerin des ADFC Landesverband Baden-Württemberg. Gruppenreisen gebe es seltener als Individualreisen.
Mittlerweile gibt es Angebote und Anbieter für Radreisen für Fahrer von Rennrädern, Mountainbikes, Trekking-Rädern oder E-Bikes, so der Reisejournalist Stefan Schwenke. Neben Spezialanbietern bieten häufig Routenbetreiber Reisen an, die selbst einen Radweg pflegen und vermarkten. Der ADFC gibt auf seiner Website radurlaub-online.de eine Übersicht verschiedener Veranstalter und Tipps.
„Das Angebot ist groß. Beliebt sind Klassiker wie Fluss-Routen oder das Rennradtraining auf Mallorca - aber Radreisen kann man auf fast allen Kontinenten unternehmen“, sagt Stefan Schwenke. „Von Afrika bis Asien, Grenzen setzen nur die Kondition und vielleicht das Budget.“
Manche Anbieter bieten beispielsweise als Twin-Konzept auch Reisen mit verschiedenen Schwierigkeitsgraden an. „Wenn ein Partner langsamer oder weniger fahren möchte, wählt er einfach die kürzere oder leichtere Strecke“, sagt Schwenke. „Am Abend im Etappenziel sieht man sich dann wieder. So kommen beide auf ihre Kosten und können trotzdem den Urlaub gemeinsam genießen.“
„Aber man muss selbst herausfinden, was einem wichtig ist“, sagt Schwenke. „Einfach mal im Reisebüro beraten lassen oder etwas im Internet stöbern. Es ist unglaublich spannend, was man alles findet und welche Gegenden man mit dem Fahrrad entdecken kann“
Einen großen Unterschied sieht Kathleen Lumma bei den Vorlieben der Radfahrer. Bei Rennrad- und Mountainbike-Fahrern stehe im Vordergrund der Sport mit Kondition- und Technikaufbau, häufig in Gruppen.
„Bei Trekkingtouren geht es vielmehr darum, eine Reise in der Natur bewusst zu erleben. Häufig lassen sich solche Touren mit einem Kulturangebot kombinieren“, sagt die sie. „Strecke und Schwierigkeitsgrad lassen sich individuell anpassen, selbst Rundtouren und Touren für die ganze Familie sind möglich.“
Vor dem Buchen sollten sich Interessierte überlegen, wie anspruchsvoll die Strecke sein darf, so Schwenke. Entscheidend für die Wahl der passenden Tour: eine realistische Einschätzung der zu befahrenden Strecke. Es soll ja schließlich eine Urlaubsreise werden.
Je nach Leistungsfähigkeit und Strecke können Radfahrer entspannt bis zu 50 Kilometer am Tag zurücklegen, mit einem E-Bike bis zu 70 Kilometer. „Es kommt aber auf die Vorlieben bei der Tour an. Wer lieber eine ausgedehnte Pause einlegen will, fährt insgesamt weniger am Tag“, sagt Barbara Merz-Weigandt.
Für Einsteiger empfiehlt Kathleen Lumma, vor der Tour regelmäßig Fahrrad zu fahren und bei der ersten Reise eine geführte Einsteigertour für wenige Tage zu wählen. Mehrere Tage hintereinander auf dem Rad zu sitzen, sei für viele Urlauber ungewohnt.
„Es fährt ein Guide mit, der viele Tipps geben kann. Bei einer Tour mit Standortquartier kann auch ein Tag Pause eingelegt werden, ohne anschließend der ganzen Gruppe hinterher fahren zu müssen“, sagt sie.
Barbara Merz-Weigandt rät, vor der Planung darauf zu achten, ob und wie das Fahrrad zum Start kommt. „Ein E-Bike darf nicht per Flugzeug transportiert werden. Muss ein Mietrad her, sollten sich Reisende vorher über das Modell erkundigen“, sagt sie.
Hilfestellung bei der Frage „eigenes Rad oder Mietrad?“ gibt Stefan Schwenke: „Wer daheim schon ein gutes Rad fährt, will meist auch in den Ferien nicht darauf verzichten. Und wenn der Ausgangspunkt gut zu erreichen ist, nehmen die meisten ihr eigenes Rad mit“, sagt er. „Bei Fernreisen bietet sich ein gutes Leihrad an, das ist dann einfach bequemer.“
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