Ganz kurz hält Alfred still, als Christina Haas ihn am Kopf krault. Doch dann springt er weg und versteckt sich hinter einem Vorhang. „Er war am Anfang sehr scheu“, sagt die junge Frau. Mittlerweile lässt sich der rot getigerte Kater von ihr anfassen. „Das ist ein riesiger Fortschritt“, findet Haas. Auch wenn Albert dabei nicht sonderlich entspannt aussieht. Zumindest duldet er die Nähe.
Christina Haas ist ehrenamtliche Katzenstreichlerin. Seit sieben Jahren kommt sie in ihrer Freizeit regelmäßig ins Tierheim in Feucht, am Nürnberger Stadtrand. Mal schmust sie ausgiebig mit einer der zutraulichen Katzen, die im Tierheim auf ein neues Zuhause warten und die ausgiebigen Streicheleinheiten genießen.
Doch meistens geht sie in die Zimmer mit den schwierigen Katzen. „Man freut sich über jede Kleinigkeit - dass man nicht gekratzt wird, dass man ein Stück näher herandarf“, begründet Haas.
Dafür braucht es viel Geduld und Zeit - einmal habe sie drei Jahre gebraucht, eine extrem scheue Katze handzahm zu bekommen. Zeit, die die fest angestellten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Tierheim nicht haben. Denn wie viele andere Tierheime in Deutschland weiß auch das in Feucht nicht mehr, wohin mit den vielen Katzen. „Es sind so viele, dass wir Platzschwierigkeiten haben“, erläutert Ursula Wening vom Vorstand.
Immer wieder müssen Tierheime nach Angaben des Deutschen Tierschutzbunds Aufnahmestopps verhängen, weil seit der Corona-Zeit vermehrt Hunde und Katzen bei ihnen abgegeben werden. 15,7 Millionen Katzen lebten laut dem Industrieverband Heimtierbedarf 2023 in deutschen Haushalten. In den vergangenen zehn Jahren sei die Zahl der gehaltenen Katzen um etwa ein Drittel gestiegen, erläutert Tierschutzbund-Sprecherin Lea Schmitz.
Einer repräsentativen Befragung zufolge sei davon aber jede Zehnte nicht kastriert. Dadurch komme es im Frühjahr und im Sommer regelmäßig zu Kätzchen-Schwemmen in den Tierheimen. Auch deshalb fordern Tierschützerinnen und Tierschützer eine bundesweite Kastrationspflicht für Freigänger-Katzen.
Doch nicht allein die Zahl der Katzen ist das Problem. Im Tierheim in Feucht befinden sich zahlreiche Katzen, die so nicht vermittelbar sind: Manche sind Streuner oder verwaiste Kitten von Straßenkatzen, andere stammen aus illegalen Tiertransporten oder wurden von den Behörden aus verwahrlosten Wohnungen geholt.
„Wir versuchen, diese Katzen ein bisschen an den Menschen zu gewöhnen, also überhaupt an die Hände“, erläutert Petra Wittmann, eine andere Katzenstreichlerin. Gerade bei diesen Tieren seien die Ehrenamtlichen eine große Stütze, sagt Wening.
Ohne die freiwilligen Katzenstreichler und Gassigeher für Hunde könnten viele Tierheime ihren Betrieb nicht stemmen, bestätigt auch Lea Schmitz vom Deutschen Tierschutzbund. Doch Ehrenamtliche seien oft schwer zu finden, sagt die Präsidentin des bayerischen Tierschutzbunds, Ilona Wojahn. „Die meisten Tierheime haben einen festen Stamm.“ Es gebe aber kaum neue Interessenten, weiß sie aus Erfahrung.
Viele Tierheime werben auf ihrer Homepage deshalb um Katzenstreichler und -vorleser, zum Beispiel die Einrichtungen in Köln-Zollstock, in Bremen oder im bayerischen Weißenhorn. Das Tierheim im thüringischen Hildburghausen schaltete sogar eine Art Stellenanzeige für den „Topjob des Sommers“, wie es darin hieß. Gesucht wurden tierliebe Menschen ab 16 Jahren, die sich den scheuen jungen Katzen widmen wollen - und die Resonanz war der Vorsitzenden Monika Hahn zufolge überwältigend.
„Die Katzenflut ist extrem“, erzählt sie. Es bleibe nach der Pflege der Katzen und der Reinigung der Räume keine Zeit mehr, sich mit diesen zu beschäftigen. „Da kommen dann die Katzenstreichler ins Spiel. Bisher haben wir nur nicht allzu viele gehabt.“
Doch nicht nur die Tierheime, auch die Ehrenamtlichen selbst profitieren von dem Engagement. Wenn sie bei den Katzen sitze oder mit ihnen spiele, könne sie entspannen, sagt Christina Haas. „Man hat Zeit für sich.“ Und oft zahle sich die Mühe aus, etwa wenn eine Katze nach langer Zeit dann doch zutraulich werde. „Das gibt einem etwas.“
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