Tim Stützle sieht müde aus nach dem vierten Auswärtsspiel binnen sechs Tagen.
Alle vier Partien haben die Ottawa Senators verloren, auch bei den Los Angeles Kings war am Wochenende beim 2:4 nichts zu holen und niemand rund um das junge Eishockey-Team aus der kanadischen Hauptstadt ist zufrieden - Stützle schon gar nicht. «Ich muss einfach besser sein. Ich muss mehr Scheiben ins Tor kriegen. Dafür bin ich da. Es reicht einfach nicht», sagt der 19 Jahre alte Profi aus Viersen der Deutschen Presse-Agentur, als er in den Katakomben des Staples Centers steht und zu erklären versucht, wie es ihm so geht in der besten Eishockey-Liga der Welt.
Obwohl er erst im Januar 20 Jahre alt wird und in seiner zweiten Saison noch immer vergleichsweise frisch dabei ist, sieht sich Stützle selbst voll in der Verantwortung für den Erfolg oder Misserfolg bei den Senators: «Ja, sehe ich mich komplett. Ich bin natürlich nicht der einzige, aber ich sehe mich da mit drin. Ich spiele jede Nacht fast 20 Minuten, muss einfach besser sein.»
Eishockey-Profis aus Deutschland als zentraler Bestandteil eines NHL-Teams, als tragende Stütze gar? Was noch vor wenigen Jahren eher undenkbar war, ist inzwischen Realität. Leon Draisaitl wurde 2020 als erster Deutscher zum wertvollsten Spieler der Liga gewählt. Mit schon 20 Toren spielt der Angreifer der Edmonton Oilers erneut eine überragende Saison. Nationaltorwart Philipp Grubauer hat beim neuen Team der Seattle Kraken zwar keine Spitzenmannschaft mehr um sich, ist aber anerkannt einer der besten Goalies im Profi-Eishockey. In Detroit freuen sich die Red Wings über die Leistungen von Moritz Seider, der mit seinen erst 20 Jahren eine bärenstarke Debüt-Saison spielt und als Verteidiger schon ein duzend Tore vorbereitet hat.
Stützle steht nach 19 Spielen in dieser Saison bei einem eigenen Treffer und sieben Vorlagen, zum gleichen Zeitpunkt in der vergangenen Spielzeit hatte er fünf Tore und sechs Vorlagen. Schon da waren sich die meisten Beobachter einig: Stützle wird nicht zu unrecht mit Draisaitl verglichen und hat das Zeug, zu einem absoluten Star in der Liga zu werden. Geschwindigkeit, Sicherheit mit dem Puck, Qualität der Pässe, Kreativität - der in Krefeld und Mannheim ausgebildete Blondschopf punktet in vielen Kategorien.
Dazu kommt seine sichtbare Entwicklung. «Er ist selbstbewusster. Letztes Jahr hat man gemerkt, dass er ein Neuling ist. Aber jetzt spielt er viel überlegter, viel reifer. Die Tore und Punkte werden auch noch kommen», sagt Ex-Bundestrainer Marco Sturm, der als Co-Trainer der Kings einen ganz besonderen Blick auf Stützle hat. Auch für die Scouts auf der Tribüne im Staples Center ist zwischen zwei Griffen in den Becher mit Popcorn völlig unstrittig, dass Stützle viel robuster zu Werke geht. «Er ist ein sehr guter Spieler», sagt ein Beobachter aus Vancouver. Niemand widerspricht.
Wie viel größer das alles ist als das, was Stützle aus seiner kurzen Zeit in der DEL für die Adler Mannheim gewohnt war, verhehlt der Teenager aber nicht. «Man spielt jedes Jahr 82 Spiele und reist um die ganze Welt - also Amerika, aber das fühlt sich an wie die ganze Welt - man spielt manchmal back to back. Man muss einfach jeden Tag bereit sein», sagt er. «Wenn man eine Sekunde schläft, ist das Ding hinten im Tor drin. Man muss immer bereit sein, sich fokussieren, egal wie jung oder alt man ist. Man muss immer sein Bestes zeigen.»
An dritter Stelle haben die Senators Stützle beim Draft ausgewählt, aus Deutschland war bislang nur Draisaitl den Oilers vor sieben Jahren einen so hohen Einsatz wert. Doch während der Kölner erstmal in der zweitklassigen AHL Erfahrung sammeln sollte, steckt Stützle von Beginn an mittendrin. Und hat inzwischen so viel Vertrauen seines Trainers DJ Smith, dass der ihn in den vergangenen drei Partien als Center der ersten Sturmreihe aufbot. «Ich fühle mich da wohl, spiele auch gut, bin defensiv viel besser geworden. Wir spielen gut mit der Scheibe hinten raus, es kommen gute Aufbaupässe», sagt Stützle über sich selbst. «Aber wie gesagt, ich bin dafür da, um offensiv zu kreieren. Ich sehe mich da sehr in der Verantwortung und das, was wir als Team momentan abliefern, reicht einfach nicht.»
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