So viele Menschen wie nie zuvor sind weltweit vor Gewalt, Krieg, Konflikten und Verfolgung auf der Flucht. Im Mai waren es 120 Millionen, fast zehn Prozent mehr als vor einem Jahr, wie das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR in Genf berichtete.
Es war der zwölfte Anstieg der Zahlen in Folge. Rund 1,5 Prozent der gesamten Weltbevölkerung ist damit aus ihrer Heimat vertrieben, wie aus dem neuen Weltflüchtlingsbericht hervorgeht.
Gut zwei Drittel der Menschen sind innerhalb der Grenzen des eigenen Heimatlandes auf der Flucht. Der Eindruck, dass Migranten und Flüchtlinge vor allem in reiche Länder strömen, sei falsch, sagte der UN-Hochkommissar für Flüchtlinge, Filippo Grandi. „75 Prozent derjenigen, die vertrieben werden, im eigenen Land oder ins Ausland, leben in armen Ländern oder solchen mit mittleren Einkommen“, so Grandi. Zum Großteil seien nicht die reichen Länder betroffen, obwohl manchmal dieser Eindruck erweckt werde. Die meisten Menschen harren nach der Flucht in Nachbarländern in der Hoffnung aus, zügig in ihre Heimat zurückkehren zu können.
Bei den Menschen, die keine Chance auf baldige Rückkehr sehen, standen die USA und Deutschland hoch im Kurs: Die USA verzeichneten mit Abstand die meisten Asylanträge, insgesamt 1,2 Millionen. Danach folgte mit großem Abstand Deutschland mit rund 330.000 Anträgen, vor Ägypten, Spanien und Kanada.
Die Zahlen sind von Jahr zu Jahr nur bedingt vergleichbar, weil die Datenlage in manchen Ländern besser wird und die Erhebungsmethoden sich teils ändern. Rekorde beziehen sich auf den Zeitraum seit 1951, als das UNHCR erstmals Flüchtlingszahlen ermittelte.
„Mir zeigt der dramatische Anstieg der Flüchtlingszahlen sehr deutlich: Gerade jetzt brauchen wir mehr Entwicklungszusammenarbeit und nicht weniger“, sagte Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD). Entwicklungspolitik schaffe für Geflüchtete Perspektiven vor Ort und für die Rückkehr in ihre Heimat. „Das liegt auch im deutschen Interesse“, sagte die Ministerin.Im Streit um den Bundeshaushalt 2025 hatte Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) im Mai Schulzes Ausgabenpolitik infrage gestellt. Der stellvertretende FDP-Vorsitzende Wolfgang Kubicki hatte deutliche Kürzungen bei der humanitären Hilfe und der Entwicklungshilfe gefordert.
Dass die Bundesregierung die Mittel für Entwicklungszusammenarbeit in dieser Situation zusammenkürze, sei „ein Einknicken vor dem Rechtsrutsch im Lande, unmenschlich und verantwortungslos“, sagte die Sprecherin der Linken im Bundestag für Menschenrechte, humanitäre Hilfe sowie wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Cornelia Möhring, in einer Mitteilung zu dem UNHCR-Bericht.
Der Machtkampf zwischen Armee und Milizen im Sudan und der israelische Krieg gegen die Terrororganisation Hamas im Gazastreifen gehören zu den Katastrophen, die 2023 Millionen Menschen ins Elend gestürzt haben. Große Vertreibungen gab es zudem in Myanmar und in der Demokratischen Republik Kongo.
120 Millionen Vertriebene weltweit, Stand Mai 2024. Der Bericht bezieht sich in seinen Analysen allerdings immer auf das Kalenderjahr 2023. Zum Stichtag 31. Dezember 2023 waren es 117,3 Millionen Vertriebene, acht Prozent mehr als Ende 2022. 68,3 Millionen suchten im eigenen Land Zuflucht.
Diese Zahl ist 50 Prozent höher als vor 5 Jahren. Deutschland ist das Land mit der viertgrößten Flüchtlingsgruppe. Das UNHCR nennt die Zahl 2,6 Millionen, hinter dem Iran (3,8 Millionen), der Türkei (3,3 Millionen) und Kolumbien (2,9 Millionen).
Sudan: seit April 2023 mehr als neun Millionen Vertriebene, darunter 1,9, die ins Ausland flüchteten. Gazastreifen: 1,7 Millionen Vertriebene, rund 75 Prozent der Bevölkerung. Myanmar: 2,6 Millionen Vertriebene durch die Kämpfe der Militärdiktatur gegen Aufständische, doppelt so viele wie ein Jahr zuvor.
Syrien: bleibt mit 13,8 Millionen Vertriebenen im In- und Ausland die größte Flüchtlingskrise weltweit. Afghanistan: 10,9 Millionen Vertriebene, davon gut 6,4 Millionen im Ausland. Damit sind Afghanen die größte Gruppe von Flüchtlingen im Ausland. Ukraine: 9,7 Millionen Vertriebene, rund 6 Millionen davon im Ausland.
Regionen, die durch Konflikte, Armut, Hunger und schlechte Regierungsführung geprägt sind, liegen auch dort, wo die Klimakrise besonders spürbar ist, heißt es in dem Bericht: „Ende 2023 lebten fast drei Viertel der gewaltsam Vertriebenen in Ländern, die hohen bis extrem hohen klimabedingten Gefahren ausgesetzt waren.“ Dazu gehörten die Demokratische Republik Kongo, Somalia, Sudan, Syrien und Jemen.
Der Kampf um Ressourcen in Zufluchtsländern, die vom Klimawandel stark betroffen sind, könne weitere Fluchtbewegungen auslösen, etwa dort, wo das Trinkwasser schon knapp ist, oder Dürre immer mehr Ernten vernichtet und Vieh mangels Wasser und Nahrung verendet.
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