Treffen am Hesselberg: Handspinngilde übt die Entschleunigung | FLZ.de

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Veröffentlicht am 08.10.2024 11:59

Treffen am Hesselberg: Handspinngilde übt die Entschleunigung

Spinnen mit der Handspindel ist eine alte Kunst und wurde als erholsames Hobby wieder entdeckt: Zum Jahrestreffen der Handspinngilde kamen über 120 Teilnehmerinnen und Teilnehmer. (Foto: Peter Tippl)
Spinnen mit der Handspindel ist eine alte Kunst und wurde als erholsames Hobby wieder entdeckt: Zum Jahrestreffen der Handspinngilde kamen über 120 Teilnehmerinnen und Teilnehmer. (Foto: Peter Tippl)
Spinnen mit der Handspindel ist eine alte Kunst und wurde als erholsames Hobby wieder entdeckt: Zum Jahrestreffen der Handspinngilde kamen über 120 Teilnehmerinnen und Teilnehmer. (Foto: Peter Tippl)

Die Leidenschaft und Begeisterung für die klassische Wollverarbeitung vereint die Mitglieder der Handspinngilde.

Das Jahrestreffen des vor 20 Jahren in Frankfurt am Main gegründeten Vereins fand im Evangelischen Bildungszentrum (EBZ) Hesselberg nun als Jubiläumstreffen mit Mitgliedern aus dem deutschsprachigen Raum statt. Ein beeindruckendes Erscheinungsbild mit unzähligen Spinnrädern präsentierte sich im Großen Saal und in weiteren Räumen des EBZ.

Die Handspinngilde war für ihr jährliches Treffen mit Workshops, Intensivkursen, Marktplatz und Mitgliederversammlung eine Woche zu Gast. Gleich am Eingang stand ein großes Plakat vom „Schaf des Jahres“. Das ostfriesische Milchschaf, das vielen Urlaubern bekannte Deichschaf, steht auf der Roten Liste und wurde deshalb gekürt. „Ein Aspekt unserer Nachhaltigkeit“, sagt Maren Gerards aus Witten in Nordrhein-Westfalen, neu gewählte Vorsitzende des 1422 Mitglieder zählenden Vereins.

Segeltörn mit Spinnrädern

Das Jahrestreffen ist gleichzeitig die Mitgliederversammlung. Maren Gerards war zweite Vorsitzende und übernahm das Amt von Martina Fischer aus Münsingen in Baden-Württemberg. Das Jahrestreffen findet immer an wechselnden Orten statt, im schleswig-holsteinischen Plön und Ruhpolding trafen sich die Mitglieder schon und dazu hält der neunköpfige Vorstand einmal jährlich eine Arbeitssitzung in Würzburg ab.

Zum Treffen auf dem Hesselberg waren überwiegend Frauen, aber auch einige Männer gekommen, die das Hobby pflegen. Sie widmen sich der Fadenverarbeitung, dem Stricken oder Weben und vor allem dem Spinnen. „Am Anfang war der Faden“, umschreibt Gerards den Ansatz der Handspinngilde. Das Spinnen sorge für Entschleunigung.

Dem Jahrestreffen vorgelagert waren Intensivkurse zum Handweben, durchgeführt von Sylvia Tillmanns, Leiterin der Weberei am EBZ, zur Flachsverarbeitung und „Art Yarn“, die Verarbeitung von hochwertigen Garnen aus Seide, Kaschmir oder Mohair. Eine Modenschau und ein kleines Konzert gestalteten die Frauen im Abendprogramm des Jahrestreffens.

Handspinngilde will alte Technik bewahren

Die Handspinngilde möchte die alte Technik als Kulturgut bewahren und neu beleben, betonte Maren Gerards. Deshalb ist der Verein auf Messen in ganz Deutschland präsent. Bei der „Grünen Woche“ in Berlin kam Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir mit den Mitgliedern ins Gespräch. Die Verarbeitung heimischer Schafwolle und Unterstützung der regionalen Schäfereien, ist ein großes Anliegen des Vereins.

Auf dem Hesselberg ist das in den Sommermonaten erlebbar, denn die Wittelshofener Schäferei Belzner betreibt mit ihren Schafen Landschaftspflege an Mittelfrankens höchster Erhebung. Maren Gerards stellt seit rund acht Jahren – verstärkt durch die Pandemie – ein gesteigertes Interesse am Spinnen fest.

400 Mitglieder zählte die Handspinngilde im Jahr 2016, aktuell sind es über 1400. Die Geschäftsstelle ist in Nieheim (Kreis Höxter). Das Bewusstsein für Regionalität und Nachhaltigkeit seien Faktoren für den Zulauf. Und auch auf Aktionen des Vereins, berichtete Gerards. Mit 16 Frauen, einer Kapitänin und einer Bootsfrau wurde im August ein Segeltörn zur niederländischen Insel Terschelling durchgeführt – mit Spinnrädern und aktiven Spinnerinnen an Bord.


Von Peter Tippl
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