Nach einer Rücktrittsandrohung und einem fünftägigen Rückzug aus der Öffentlichkeit hat der spanische Ministerpräsident Pedro Sánchez seine Anhänger erlöst. Er werde ungeachtet aller unbegründeter persönlicher Attacken auf ihn und seine Ehefrau im Amt bleiben, teilte der sozialistische Politiker mit. „Ich habe beschlossen, wenn möglich, mit noch mehr Kraft an der Spitze der Regierung weiterzumachen“. Kurz nachdem der 52-Jährige vor dem Palacio de la Moncloa in Madrid diese Worte gesprochen hatte, ertönten aus dem Inneren des Regierungssitzes anonyme Jubelschreie.
Nach einer Korruptionsanzeige gegen seine Ehefrau Begoña Gómez (49) hatte Sánchez am vorigen Mittwoch überraschend alle öffentlichen Termine abgesagt, eine fünftägige Bedenkzeit über seine politische Zukunft verkündet und einen Rücktritt in Aussicht gestellt. Auf X, vormals Twitter, schrieb er, er wolle darüber nachdenken, ob es sich noch „lohnt, trotz des Sumpfes, in dem die Rechten und Rechtsextremen versuchen, Politik zu machen. Ob ich weiter an der Spitze der Regierung stehen oder von dieser hohen Ehre zurücktreten soll“.
Die Entscheidung, weiterzumachen, habe er nun zusammen mit seiner Frau getroffen, enthüllte er. „Meine Frau und ich wissen, dass diese Verleumdungskampagnen nicht aufhören werden. Wir leiden schon seit zehn Jahren darunter (...). Aber wir können damit fertig werden.“ Zur Entscheidung hätten die Solidaritätskundgebungen seiner Anhänger am Wochenende in Madrid und anderen Städten „entscheidend beigetragen“.
Sánchez, der die viertgrößte EU-Volkswirtschaft schon seit fast sechs Jahren regiert und vielfach Widerstände außerhalb, aber auch innerhalb der eigenen Sozialistischen Partei PSOE überwinden musste, erweist sich wieder einmal als „Stehaufmännchen“, als gewiefter Stratege und politischer Überlebenskünstler. Anders als andere lange erfolgreiche und charismatische Mitte-Links-Regierungschefs wie die Neuseeländerin Jacinda Ardern oder der Portugiese António Costa, die über oft haltlose Kritik und Beschuldigungen stolperten, warf Sánchez nicht das Handtuch. Die Zeitung „El País“ (Onlineausgabe) bezeichnete ihn in einer Analyse als „Mann des ewigen Comebacks“.
In der Tat: Es ist auffällig, ja beeindruckend, wie der gelernte Betriebswirt nach einer Hiobsbotschaft erneut den Spieß umdrehen und aus einer Krise eine Chance machen konnte. Wie zuletzt im Mai 2023, als er nach einer schlimmen Pleite der gesamten Linken bei Regionalwahlen bereits totgesagt war - auch von ihm nahestehenden Medien. Nur einen Tag nach dem Desaster trat er aber zur Überraschung aller nicht zurück. Er zog die eigentlich fürs Jahresende geplante Parlamentswahl vor - und hatte mit dem Schachzug Erfolg.
Nun setzt er nach Ansicht von Anhängern und Parteifreunden im In- und Ausland (darunter Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva) wieder Akzente. Seine Bedenkzeit sei ein „Weckruf“ gegen Schmutzkampagnen, gegen die Polarisierung und gegen unbegründete Attacken und Anzeigen, die die Politik in Spanien und auch in anderen Ländern zunehmend vergifteten, hieß es in der Madrider Parteizentrale der PSOE.
In seiner Rede rief Sánchez dazu auf, gegen Fake News und für mehr Fair Play zu kämpfen. Und zur „Regeneration des Systems“: „Zu lange haben wir zugelassen, dass die Politik von Schlamm überzogen wird“, sagte er. „Entweder wir sagen basta, oder diese Degradierung des öffentlichen Lebens wird unsere Zukunft bestimmen und uns als Land verdammen“, rief er mit fester Stimme. Wenn man Meinungsfreiheit mit Verleumdungsfreiheit verwechsle, werde „diese demokratische Perversion katastrophale Folgen“ haben.
Die Opposition konnte er mit seiner Rede unterdessen nicht überzeugen. Ganz im Gegenteil. Politiker der konservativen Volkspartei PP sprachen von einer gut inszenierten „Show“. Die Regionalpräsidentin der Region Madrid, Isabel Díaz Ayuso, die als eine der charismatischsten Figuren der konservativen Volkspartei PP gilt, bezeichnete das Vorgehen von Sánchez als „absolute Schande“. Der Ministerpräsident wolle einfach „ohne jede Kontrolle“ regieren.
Die Anzeige gegen die Frau des Regierungschefs war am Mittwoch von der als sehr rechtsgerichtet eingestuften Organisation „Manos Limpias“ (Saubere Hände) erstattet worden. Die Organisation, die unter anderem der rechtspopulistischen Partei Vox nahesteht, wirft Gómez, die kein öffentliches Amt bekleidet, Einflussnahme und Korruption in der Wirtschaft vor. „Manos Limpias“ räumte später ein, die Anzeige basiere auf Medienberichten, die durchaus falsch sein könnten.
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