Sein geklontes walisisches Bergschaf war eine Sensation, aber auch ein Tabubruch. Ian Wilmut galt als einer der „geistigen Väter“ des Schafs Dolly - der ersten exakten Kopie eines erwachsenen Säugetiers. Einen biologischen Vater hatte es nicht. Mit Entwicklung der Methode legten Wilmut und sein Team den Grundstein für einen ganzen Klontier-Zoo - mit Pferden, Rindern, Schweinen, Hunden oder Katzen. Doch der Erfolg brachte dem Briten auch jede Menge Ärger ein. Zuletzt widmete er sich der unheilbaren Parkinson-Erkrankung, an der er selbst erkrankt war. Nun starb Wilmut im Alter von 79 Jahren, wie die schottische Universität Edinburgh am Montag mitteilte.
„Er war ein Titan der wissenschaftlichen Welt“, sagte der Vizekanzler der Hochschule, Peter Mathieson. Wilmuts Experimente hätten „das damalige wissenschaftliche Denken verändert“.
Als die Existenz von Dolly, die am 5. Juli 1996 geboren und nach der Country-Sängerin Dolly Parton benannt wurde, im Februar 1997 bekannt wurde, gab es viel Kritik an Wilmut und seinem Team sowie eine erhitzte Debatte über die Ethik des Klonens. Schnell wurden Ängste laut, die Technik könne auch zum Klonen von Menschen genutzt werden - eine Aussicht, die Wilmut als „abscheulich“ bezeichnete. Der „New York Times“ sagte er damals, seine Arbeit habe „nichts mit der Erstellung von Kopien von Menschen zu tun“. Vielmehr werde der Durchbruch es Wissenschaftlern ermöglichen, genetische Krankheiten zu untersuchen, für die es keine bekannte Heilung gebe.
Später musste Wilmut zugeben, dass sein damaliger Mitarbeiter Keith Campbell die meisten Experimente gemacht hatte. Er selbst sei aber der Laborleiter gewesen. Wilmut bekam viele Auszeichnungen, etwa den renommierten Paul-Ehrlich-und-Ludwig-Darmstaedter-Preis.
Dolly entstand mit Hilfe des sogenannten somatischen Zellkerntransfers. Um den Klon zu schaffen, entfernten die Forscher vom Roslin-Institut nahe Edinburgh bei einer Eizelle eines weiblichen Schafs den Zellkern, in dem die Erbinformation steckt. An seiner Stelle platzierten sie den Zellkern einer ausgereiften Zelle, die sie einem anderen weiblichen Schaf aus dem Euter entnommen hatten. Die veränderte Eizelle wurde dann in einer Nährlösung zur Teilung angeregt und einer Ersatzmutter eingepflanzt.
Inzwischen wird die Methode bei zahlreichen Tieren angewandt. So werden etwa in Deutschland für die medizinische Forschung Schweine geklont, die an Diabetes oder Mukoviszidose erkrankt sind. In anderen Ländern entstehen mit der Methode vor allem Pferde und Rinder für die Zucht. Das Klonen von Tieren ist allerdings bis heute umstritten, auch weil die Erfolgsrate der Methode noch immer gering ist.
Wilmut, der eigentlich Landwirt werden wollte, war über die Agrarwissenschaft zur Biologie gekommen. 1971 promovierte er in Cambridge über die „Tiefkühlkonservierung von Ebersperma“. In den späten 1980er Jahren kam der Wissenschaftler schließlich zum Klonen.
Als Wilmut schließlich seine Forschung aufgab, war er noch lange als Experte gefragt - sogar in der Kunst. So beriet er die in Hildesheim geborene Künstlerin Diemut Strebe, die eine Reproduktion des Ohrs vom Maler Vincent van Gogh anfertigte, das der sich selbst abgeschnitten hatte. Zum Einsatz kamen ein 3D-Bioprinter und die DNA eines Nachfahrens des niederländischen Künstlers.
Zuletzt unterstützte der emeritierte Professor eine Parkinson-Forschungsinitiative. Die „Schüttellähmung“ trifft Männer etwas häufiger als Frauen, das Erkrankungsrisiko steigt mit dem Alter. Ursache für Parkinson ist das Absterben von Nervenzellen im Gehirn. Die Folgen sind neben Zittern unter anderem Bewegungsstörungen, etwa beim Gehen.
Zu Dollys 20. Geburtstag 2016 räumte Wilmut aber ein, der breite Einsatz von Stammzelltherapien zur Behandlung neurodegenerativer Erkrankungen wie Parkinson sei wahrscheinlich noch „Jahrzehnte entfernt“.
Und was geschah mit Dolly? Sie bekam sechs Lämmer, Vater war ein Bock namens David. Ein Leben im Grünen war ihr aber nicht vergönnt. Das vielleicht berühmteste Schaf der Welt lebte - zum Schutz vor Klongegnern und Hagelkörnern - in einem streng bewachten Betonblock und zerkaute Pillen mit Nahrungsmittelkonzentrat. Viel zu jung litt es an Gelenkbeschwerden, später kam eine Lungenerkrankung hinzu. Schließlich schläferten die Forscher Dolly im Alter von sechs Jahren ein. Normalerweise werden Schafe fast doppelt so alt.
Der Nachwelt blieb Dolly erhalten. Sie steht ausgestopft in einer Vitrine im Nationalmuseum in Edinburgh - und scheint zu lächeln. Für Wilmut war Dolly ohnehin „das freundlichste Schaf“ gewesen; Angst vor Menschen habe es nie gehabt.
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