Lange haftete Eiern der Makel an, eine Cholesterinbombe zu sein. Doch diese Zeiten sind vorbei. Inzwischen sind Eier einigermaßen „in“ - zu Ostern (31.3.) traditionell wieder besonders; ob bunt bemalt, als Salat oder alkoholisiert als Eierlikör.
Das Bundesinformationszentrum Landwirtschaft (BZL) meldete kürzlich, dass der Pro-Kopf-Verbrauch von Eiern zuletzt um sechs Stück im Vergleich zum Vorjahr auf 236 Eier gestiegen sei. Vor zehn Jahren waren es demnach noch ganze acht Eier weniger.
Ein möglicher Grund dafür seien die vergleichsweise günstigen Eierpreise im Angesicht der sonst stärkeren Inflation. „Ein weiterer Grund könnte die Ausbreitung der flexitarischen Ernährungsweise sein – weniger Fleisch, dafür mehr Eier“, teilt das BZL mit.
Der Verein Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) hat kürzlich seine Verzehrempfehlung bezüglich Eiern etwas gelockert. „Die Portionsangabe von einem Ei pro Woche beruht nicht auf einer Begrenzung aus gesundheitlichen Gründen (zum Beispiel Cholesterol)“, heißt es nun. In diesem Falle liege es eher an der Umweltbelastung, die tierische Produkte verursachten, sagt Sprecherin Antje Gahl in Bonn. Neben etwa einem Frühstücksei in der Woche seien einige mehr verarbeitete Eier okay, zum Beispiel in Nudeln oder Kuchen. Früher war von „bis zu drei Eiern pro Woche“ die Rede – jedoch schon inklusive der verarbeiteten.
Alles in allem scheint sich der Eierkonsum - in jüngeren Generationen - in den letzten Jahren verändert zu haben. Bohei und fast schon ein Kult entstand in Gastronomie und Internet zum Beispiel um Eier-Gerichte wie Eggs Benedict, Eggs Florentine oder Shakshuka.
Vorbei die Zeiten, als hierzulande das auszulöffelnde Frühstücksei die höchste Form des Eieressens zu sein schien und es dabei bloß um Fragen ging wie „Klopfen oder Köpfen?“.
Loriot widmete dem weichen Ei in den 70er Jahren einen legendären Zeichentrick-Sketch, in dem der Dialog zwischen Mann und Frau am Frühstückstisch völlig eskaliert („Woher weißt du, wann das Ei gut ist?“, „Ich nehme es nach viereinhalb Minuten heraus, mein Gott“, „Nach der Uhr oder wie?“, „Nach Gefühl - eine Hausfrau hat das im Gefühl“ (...) „Aber es ist hart! Vielleicht stimmt da mit deinem Gefühl was nicht“, „Mit meinem Gefühl stimmt was nicht?“).
Seitdem ist viel passiert. Der Eierkonsum wurde internationalisiert. Seit einigen Jahren schon finden sich Eggs Benedict (also pochierte Eier auf Toast oder englischem Muffin mit Kochschinken oder Speck sowie Sauce hollandaise) öfter auf Speisekarten in Deutschland. Früher gehörten sie nur in den USA, wo sie Ende des 19. Jahrhunderts in New York erfunden worden sein sollen, sowie in edleren Hotels auf der ganzen Welt zum Kanon der Eierspeisen.
In Berlin gibt es derzeit eine Art Hype um Frühstücksrestaurants wie das „Benedict“ oder das „Frühstück 3000“. In dem mit Michelin-Stern ausgezeichneten „Bonvivant Cocktail Bistro“ umhüllt eine Miso-Hollandaise die pochierten Eier; Kundinnen und Kunden haben die Wahl zwischen Brioche und Sauerteigbrot.
Tierrechtsorganisationen kritisieren den Eierkonsum und die Eierindustrie grundsätzlich. Peta betont, Hühnerrassen legten ursprünglich - wie andere Vögel auch - Eier ausschließlich, um sich fortzupflanzen. Die Hühnerzucht habe jedoch die jährliche Anzahl von etwa 20 bis 30 gelegten Eiern verzehnfacht. Besonders problematisch seien Eier in verarbeiteten Produkten wie Nudeln, Kuchen und Süßigkeiten. Dabei werden oft Eier verarbeitet, die die Mehrheit der Verbraucher eigentlich ablehne – nämlich Eier aus Käfighaltung.
Entspannter als früher in Sachen Eier sind viele Ernährungswissenschaftler. Nahrungscholesterin sei nur bedingt ausschlaggebend für den Cholesterin-Status beim Menschen, sagt der Präventivmediziner und Ernährungswissenschaftler David Fäh. Der Körper fahre bei viel Zufuhr von Cholesterin die Eigenproduktion runter.
Man sei davon weggekommen, einzelne Lebensmittel so isoliert zu betrachten, weil man festgestellt habe, dass das rein statistisch gesehen nicht sauber sei, sagt Fäh, der an der Berner Fachhochschule lehrt. „Es kommt immer auf die Kombination von Lebensmitteln an, auf Ernährungsmuster.“ Die Gesundheit hänge vom gesamten Lebensstil ab: körperliche Aktivität, Stressprävention, ein Alkoholkonsum im Rahmen, ob man raucht oder nicht.
Fäh zeigt sich als eine Art Eier-Fan. Das Ei enthalte vieles, sogar Nährstoffe, die man eher von pflanzlichen Lebensmitteln kenne, zum Beispiel Folsäure. „Das Ei ist eine Art Komplettpaket aus Makro- und Mikronährstoffen.“ Es ermögliche es einer Zelle, sich außerhalb vom Mutterkörper zu einem Lebewesen zu entwickeln. Das sei ziemlich phänomenal - „wenn man bedenkt, was eine werdende Mutter alles essen muss, damit ein menschliches Kind normal heranwächst“.
Ein Ei enthalte viele Nährstoffe, die auch für heranwachsende Menschen und andere Säugetiere wertvoll seien, sagt Fäh. „Wir wissen von Primaten, dass die teilweise auch auf Jagd gehen nach Vogeleiern und diese auch benötigen, um überwiegend pflanzliche Ernährung zu ergänzen.“ Der Ernährungswissenschaftler betont, dass es durchaus Unterschiede bei der Ei-Zusammensetzung gebe. Eier von freilaufenden Hühnern, die Futter mit Samen und Kernen statt Standardfutter gefressen haben, seien reicher an wertvollen Stoffen wie ungesättigten Fettsäuren.
Und was ist nun mit Ostern? Ist es okay, bei diesem Fest viele Eier innerhalb weniger Tage zu essen? Ja, sagt Fäh. Neueste Studien legen nahe, dass man im Schnitt nicht weit über einem Ei pro Tag essen solle - als erwachsene Person. Bei Kindern könnten es ruhig mehr sein. Aber dieser Durchschnitt sei eher in einem größeren Zeitraum einzuordnen. Ein paar Tage Eier-Exzess sind demnach also in Ordnung.
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