Neben dem Valentinstag ist kein anderer Tag im Jahr für die Blumenbranche so wichtig wie der Muttertag an diesem Sonntag. In der Woche vor dem Muttertag werden doppelt so viele Sträuße verkauft wie in einer normalen Woche. Traditionell ziehen die Preise für beliebte Schnittblumen wie Rosen, Tulpen oder Gerbera vor dem Muttertag an. Doch angesichts hoher Inflation schauen die Menschen noch genauer aufs Geld - Blumen gelten eher als verzichtbar.
In Deutschland ging der Umsatz mit Schnittblumen nach Berechnungen der Agrarmarkt Informations-Gesellschaft (AMI) im vergangenen Jahr um 500 Millionen Euro oder rund 14 Prozent auf 3,1 Milliarden Euro zurück. „Wir haben vor allem im Herbst die große Verunsicherung der Verbraucher gespürt. Jeder Einkauf wurde genau durchdacht und fiel nicht immer zu Gunsten des Pflanzenkaufs aus“, beschrieb kürzlich der Vorsitzende des Bundesverbandes Zierpflanzen (BVZ) im Zentralverband Gartenbau (ZVG), Frank Werner, die Entwicklung. Steigende Energiekosten und Kaufzurückhaltung hätten sich spürbar ausgewirkt.
Der Trend hält auch in diesem Jahr an. In den ersten drei Monaten dieses Jahres sei die Nachfrage nach Schnittblumen in Deutschland weiter gesunken, sagt Britta Tröster, AMI-Expertin für Blumen und Zierpflanzen. Mittlerweile lägen die Umsätze unter dem Niveau des Vor-Corona-Jahres 2019.
Der Verein Fairtrade, der sich für bessere Preise für Kleinbauernfamilien sowie menschenwürdige Arbeitsbedingungen für Beschäftigte auf Plantagen in Entwicklungs- und Schwellenländern einsetzt, berichtet sogar von einem Absatzminus von 23 Prozent bei Schnittblumen mit dem Fairtrade-Zeichen. Blumen seien aktuell das Sorgenkind im Fairtrade-Angebot, sagte Fairtrade-Vorständin Claudia Brück. Angesichts der aktuellen Probleme würden Blumen offenbar von vielen Menschen in Deutschland als ein Luxusprodukt angesehen, auf das man in schwierigen Zeiten am ehesten verzichten könne.
Auch in den Niederlanden, dem wichtigsten Blumenlieferanten für Deutschland, machte sich die Krise in den vergangenen Monaten bemerkbar. In den kalten Monaten hatten viele Blumenzüchter ihre Produktion zurückgefahren, da sie sich die explodierenden Energiekosten nicht leisten konnten. Die niederländischen Rosenzüchter hätten ein Drittel weniger produziert als im letzten Jahr, sagte Michel van Schie, der Sprecher von Royal Flora Holland, einem der größten Blumenauktionatoren weltweit, dem niederländischen öffentlich-rechtlichen Sender NOS. Diese Lücke werde zum Teil durch eingeflogene Rosen gefüllt. Davon habe beispielsweise die Blumenindustrie in Kenia profitiert. Doch auch dort macht sich die Krise bemerkbar.
Seit Jahren ist Kenia einer der wichtigsten Blumenlieferanten für Deutschland - bei Rosen laut dem Statistischen Bundesamt sogar zweitgrößter Lieferant nach den Niederlanden. Kenias Vorteil: Im tropisch warmen Klima rund um den Naivashasee 120 Kilometer nördlich der Hauptstadt Nairobi können die Blumen ganzjährig gezüchtet werden - während in Europa insbesondere im Winter die Gewächshäuser kräftig geheizt werden müssen.
Die Blumenindustrie gehört mittlerweile zu den wichtigsten Wirtschaftszweigen des ostafrikanischen Landes. Rund 110 Milliarden Schilling (664 Mio Euro) erwirtschaftet die Industrie jährlich. Etwa 200.000 Kenianer sind in der Branche beschäftigt. Auch andere Länder wie Äthiopien, Kolumbien oder Ecuador haben sich als Blumenlieferanten etabliert.
Doch auch an der kenianischen Blumenwirtschaft sind die permanenten Krisen der vergangenen Jahre nicht spurlos vorbeigegangen. Laut dem Verband der kenianischen Blumenproduzenten KFC fielen die Exporte im vergangenen Jahr im Vergleich zu 2021 von 210.000 auf 195.000 Tonnen. „Die gesunkenen Exporte lassen sich auf den Krieg in der Ukraine zurückführen“, erklärt Gonzaga Mungai, Blumenexperte bei Fairtrade Africa.
In Folge des Krieges hatte die EU unter anderem auch Blumen auf die Liste der Güter gesetzt, die nicht nach Russland exportiert werden dürfen. Kenianische Blumenproduzenten verkauften den Großteil ihrer Ware nach Russland über die niederländischen Blumenbörsen. Zudem steigen die Kosten für die Blumenzüchter durch die weltweit höheren Preise für Düngemittel.
Die Corona-Pandemie hatten die kenianischen Blumenproduzenten hingegen nach einem ersten Schock erstaunlich schnell weggesteckt. Natürlich seien zu Beginn die Umsätze eingebrochen, nachdem das öffentliche Leben zum Erliegen gekommen war und kaum noch Blumen für Veranstaltungen gebraucht wurden, sagt Mungai: „Die Märkte haben sich jedoch mit der Zeit angepasst. Da die Menschen kaum das Haus verlassen konnten, ist das Interesse der Kunden an Blumen wieder gestiegen.“ Und während auch in Deutschland viele in der Pandemie ihren grünen Daumen entdeckt haben, hätten die kenianischen Blumenproduzenten zeitweise ihre Umsätze kräftig steigern können.
Diese Zeiten sind jedoch längst wieder vorbei. Durch steigende Transportkosten und höhere inländische Steuern zogen die Kosten für die kenianischen Blumenzüchter an. Gleichzeitig müssen diese mit dem Preisdruck in Europa umgehen. Denn wenn die Preise für Blumen weiter in die Höhe klettern, werden noch mehr Kunden auf das „Luxusgut“ Blumen verzichten.
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