Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck will mit Ladestromguthaben und Steueranreizen die schwache Nachfrage nach Elektroautos ankurbeln. „Das Laden muss einfacher und billiger werden. Es braucht außerdem Anreize für E-Autos“, sagte der Grünen-Politiker. Er schlägt unter anderem ein Ladestromguthaben von 1.000 Euro für das Laden an öffentlich zugänglichen Ladesäulen beim Kauf von gebrauchten oder neuen E-Autos vor - sowie eine steuerliche Förderung bei kleinen und mittleren Einkommen.
Ein bestimmter Anteil der Anschaffungskosten solle wie bei der Förderung der energetischen Gebäudesanierung von der Steuer abgesetzt werden können, heißt es in einem Papier. Für Menschen mit niedrigen Einkommen hält das Ministerium auch Alternativen wie ein „Sozialleasing“-Modell für denkbar. Ein solches gibt es in Frankreich.
Der Spielraum der amtierenden rot-grünen Koalition für Entscheidungen ist allerdings begrenzt. Nach dem Bruch der Ampel-Koalition haben SPD und Grüne im Bundestag keine Mehrheit mehr. In dem Papier des Wirtschaftsministeriums ist außerdem keine Rede davon, woher das Geld für Maßnahmen wie ein staatlich finanziertes Ladestromguthaben kommen soll. Ende September hatte Habeck nach einem „Autogipfel“ mit Branchenvertretern gesagt, es solle keine „Strohfeuermaßnahmen“ geben.
Die europäische Autoindustrie stehe unter erheblichem Druck, heißt es in dem Papier. Genannt werden der Ausbau der Elektromobilität und die zunehmende Digitalisierung des Autos. Zugleich sei die globale Nachfrage derzeit schwach, während zugleich neue Wettbewerber, insbesondere aus China und den USA, den Konkurrenzdruck deutlich erhöhen.
Oberste Priorität sei es, jetzt Klarheit und Planungssicherheit seitens der Politik herzustellen, heißt es im Papier des Wirtschaftsministeriums. Zudem brauche es dringend Maßnahmen zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit.
„Die Automobilbranche steht für hunderttausende Arbeitsplätze, Standorte und Regionen sind von ihr geprägt“, so Habeck. „Eine erfolgreiche Erneuerung und Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Automobilindustrie sind jetzt von zentraler Bedeutung.“
In Deutschland haben Elektrofahrzeuge schon seit einiger Zeit mit Absatzschwierigkeiten zu kämpfen. Ende 2023 stellte die Bundesregierung unter Verweis auf Sparzwänge die Förderung für E-Pkw vorzeitig ein.
Viele Autobauer sind in die Krise geraten. So hat VW die seit Jahrzehnten geltende Beschäftigungssicherung mit den Gewerkschaften in Deutschland aufgekündigt und Werksschließungen und betriebsbedingte Entlassungen nicht mehr ausgeschlossen. Dagegen gibt es erbitterten Widerstand von Betriebsrat und IG Metall. Auch bei den Automobilzulieferern ist die Krise angekommen.
Um mehr E-Autos anstelle von Verbrennern auf die Straße zu bekommen, hatte Frankreich zu Jahresbeginn das sogenannte Sozialleasing gestartet. Die Bedingungen sind streng. Das Angebot richtete sich an Menschen mit sehr geringem Einkommen, die beruflich auf das Auto angewiesen sind und mindestens 15 Kilometer von ihrer Arbeitsstelle entfernt leben.
Genutzt wurde das Angebot von 50.000 Haushalten, doppelt so viele wie ursprünglich gedacht. Weil der Fördertopf leer war und Nachschub an E-Autos fehlte, kamen Antragsteller zeitweise nicht mehr zum Zuge. Wegen Sparzwängen reduziert Frankreich die Förderung von E-Autos, will aber das Sozialleasing fortführen. Der Marktanteil elektrischer Fahrzeuge bei den Neuwagenverkäufen liegt nach Regierungsangaben in Frankreich seit Jahresbeginn bei 17,1 Prozent und damit über dem europäischen Durchschnitt.
Neben dem Neukauf von E-Autos nimmt Habeck auch den Gebrauchtwagenmarkt in den Blick: „Um den Gebrauchtwagenmarkt anzukurbeln, wollen wir professionelle Batteriechecks mit 100 Euro bezuschussen“, heißt es in dem Papier seines Hauses.
Gebrauchte, reine Elektrofahrzeuge, die ausschließlich mit einem Elektromotor ausgestattet sind (BEV), erleichterten insbesondere für preisbewusste Kunden den Einstieg in die E-Mobilität, heißt es. Der potenzielle Käufer erhalte durch einen professionellen Batteriecheck Gewissheit über den Zustand der gebrauchten Fahrzeugbatterie und damit über den Restwert des Fahrzeugs. Weiter heißt es, das „Dienstwagenprivileg“ bei der Steuer solle so reformiert werden, dass es deutlichere Anreize für klimafreundliche Mobilität setze.
In dem Papier schlägt das Ministerium zudem vor, vor dem Hintergrund der aktuellen Absatzprobleme mögliche Strafzahlungen für die Autoindustrie aus Verstößen gegen die Flottengrenzwerte zu flexibilisieren und die Möglichkeit zu schaffen, Strafzahlungen aus dem Jahr 2025 durch eine Übererfüllung der Vorgaben für 2026 und 2027 zu vermeiden.
Ein Ladeguthaben von 1.000 Euro werde den schwächelnden E-Auto-Markt nicht ankurbeln, kritisierte CSU-Generalsekretär Martin Huber. „Der Bundeswirtschaftsminister trägt mit der spontanen Streichung der E-Auto-Förderung persönlich die Verantwortung für den Einbruch des Marktes. Diese Mini-Maßnahme ist reine Augenwischerei.“
Ein Guthaben für den Ladestrom mache den Strom insgesamt noch nicht günstiger, sagte ein Sprecher des Verbands der Automobilindustrie (VDA). Neben kurzfristigen Anreizen sei vor allem eine andere Energiepolitik nötig. „Eine Reduzierung des Ladestrompreises durch mehr Wettbewerb und Technologie, sowie durch eine Senkung von Steuern und Abgaben, ist von zentraler Bedeutung.“ Die E-Mobilität benötige langfristige Lösungen statt einzelner Strohfeuer.
Das Bündnis Sahra Wagenknecht schlägt ein staatlich gefördertes „Volksleasing“ mit Raten ab 58 Euro vor. Das soll sich am französischen Vorbild des „Sozialleasing“ für E-Autos orientieren, aber mit einem entscheidenden Unterschied: Gefördert werden sollten auch Verbrenner mit weniger als 5 Litern Verbrauch je 100 Kilometer, fordert Parteigründerin Sahra Wagenknecht. Die Rate wäre so hoch wie der monatliche Preis für das Deutschlandticket ab 2025.
„Vielen Menschen in Deutschland nützt das Deutschlandticket nichts, weil es in ihrer Nähe schlicht keinen relevanten öffentlichen Nah- und Fernverkehr gibt“, sagte Wagenknecht der Deutschen Presse-Agentur. Für E-Autos fehle vielfach die Infrastruktur. Nötig sei ein staatliches Leasingprogramm, das spritarme Mobilität für Gering- und Normalverdiener garantiert. Spitzenverdiener sollten bei dem Programm außen vor bleiben.
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