Bad Windsheim: Über 100 Menschen demonstrieren gegen die AfD | FLZ.de

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Veröffentlicht am 08.04.2023 15:14

Bad Windsheim: Über 100 Menschen demonstrieren gegen die AfD

Die Polizei trennt beide Lager voneinander. (Foto: Johannes Zimmermann )
Die Polizei trennt beide Lager voneinander. (Foto: Johannes Zimmermann )
Die Polizei trennt beide Lager voneinander. (Foto: Johannes Zimmermann )

Gut 40 AfDler haben sich an der Pastoriusstraße, über 100 Gegendemonstranten auf dem Bad Windsheimer Marktplatz versammelt. Dazwischen steht die Polizei. 30 Beamte sind an diesem Samstagvormittag im Einsatz. Während die AfD Frieden mit Russland fordert, erklären die Gegner ihre Solidarität mit der Ukraine. Ein hitziger Schlagabtausch bei Nieselregen.

Noch bevor beide Kundgebungen um 10 Uhr im Bereich des Marktplatzes starten, wird provoziert. „Ihr grünen Faschisten“, brüllt ein AfD-Mann den Gegendemonstranten zu. Diese sind eine bunte Mischung aus Mitgliedern demokratischer Parteien jeder Couleur, Punks und Alt-68ern und haben ihre Versammlung unter das Motto „Frieden braucht Demokratie“ gesetzt. Ein anderer AfD-Mann trägt eine Warnweste – mit der Aufschrift: „Grüne an die Ostfront“.

Auf dem Marktplatz liegt eine gigantische Ukraine-Fahne. Unter den Rathaus-Bögen können die Demonstrierenden Plakate schreiben und auf die Fahne legen – eine Bodenzeitung. „Populismus spaltet, Musik verbindet“, ist dort zu lesen, „Einigkeit und Recht und Freiheit für das ukrainische Vaterland“ oder „Keine Macht den Nazis“.


Mir graut es, wenn jetzt wieder Faschisten hier am Marktplatz stehen.

Harry Scheuenstuhl

Immer wieder treibt es Gegendemonstranten an die Absperrung, die beide Seiten voneinander trennt. Es wird lautstark diskutiert (oft mit Worten, die nicht unbedingt der Rubrik „Nettigkeiten“ zuzuordnen sind), Gegendemonstranten halten Transparente in die Luft. „AfD und Putin – best friends“ steht darauf.

„Die Gedanken sind frei“ und die deutsche Nationalhymne stimmen die AfD-Vertreter kurz vor Ende ihrer Veranstaltung an. Die zahlreichen Gegendemonstranten an den Absperrzäunen kontern das mit lauten Buhs und „Alerta, Alerta, Antifascista“-Rufen, von der Bühne ertönt „Bella Ciao“, Punks übertönen mit lauten Trommelschlägen den AfD-Gesang. Am Zaun kommt es zu kleineren Reibereien. „Halt die Klappe“, brüllt ein AfD-Mann einem Gegendemonstranten mit Megafon ins Gesicht. „Ganz Windsheim hasst die AfD“, wird von der Gegenseite im Chor skandiert. Die Stimmung ist aufgeladen, die Polizei hat sich positioniert.


Das ist alles von der Versammlungsfreiheit gedeckt.

Rainer Mühlbauer

Einer aus den Reihen der AfD läuft wild gestikulierend auf die Grünen-Landtagsabgeordnete Barbara Fuchs zu, Polizisten drängen ihn ab. „Die beiden Versammlungen verliefen aus polizeilicher Sicht ohne größere Störungen“, wird es später im Pressebericht heißen. „Normaler politischer Diskurs, das ist alles von der Versammlungsfreiheit gedeckt“, fasst es Rainer Mühlbauer, Vize-Chef der Polizeiinspektion Bad Windsheim, auf Nachfrage zusammen. Straftaten habe es nicht gegeben.

AfD fordert Friedensverhandlungen mit Russland

Thomas Klaukien, AfD-Vorsitzender des Kreisverbandes Fürth/NEA, fordert im Gespräch mit unserer Redaktion die Bundesregierung auf, alle Wege zu versuchen, um Frieden mit Russland zu schließen. Das westliche Bündnis müsse endlich Gespräche mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin suchen, Friedensverhandlungen führen.

Corinna Gräßel, eine der Veranstalterinnen des Protests gegen die AfD, ruft: „Glaubt jemand ernsthaft, dass er dann Ruhe gibt?“ Es gebe keinerlei Grundlage, mit Putin zu verhandeln, schließt sich der SPD-Bundestagsabgeordnete Carsten Träger an. Schließlich habe der Despot „das Bruderland mit Krieg überzogen“. Aber es gelte nicht mehr das „Recht des Stärkeren“. Träger: „Verhandlung ist keine Lösung, Putin ist niemand, der verhandeln will.“

Während Ronald Reichenberg, dritter Bürgermeister Bad Windsheims, betont, dass der 24. Februar 2022 mit dem Einmarsch der Russen in die Ukraine die Welt verändert hat, kritisiert AfD-Kreisrätin und Landtagskandidatin Anni Benedikt aus Münchsteinach auf der Gegenseite westliche Waffenlieferungen: „Panzer bringen keinen Frieden.“ Und: „Es ist nicht unser Krieg.“

Die AfD nutzt einen Autoanhänger als Rednerbühne, AfD- und Deutschlandfahnen zieren ihn, eine USA-Flagge mit der Aufschrift: „Ami go home“ weht daneben. Benedikt freut sich, dass die AfD in der „alten Reichsstadt Bad Windsheim“ zusammenkommt, vor dem Roland, dem Kriegerdenkmal.


Panzer bringen keinen Frieden.

Anni Benedikt

Harry Scheuenstuhl, SPD-Landtagskandidat, schreit indes ins Mikrofon: „In Bad Windsheim haben schon mal Faschisten Unheil angerichtet. Mir graut es, wenn jetzt wieder Faschisten hier am Marktplatz stehen – pfui Teufel.“ Applaus. Zu Putin sagt er: „Wenn wir Demokraten nicht zusammenstehen, wer ist dann der Nächste“, der überfallen wird? „Der Mensch ist zum Leben da und nicht, um andere umzubringen.“
Die AfDler seien diejenigen, die „unsere Demokratie gefährden“, betont die Grünen-Abgeordnete Fuchs. Ziel der Demokratiefeinde sei es, die Gesellschaft zu destabilisieren, sagt Grünen-Landtagskandidat André Höftmann. Und: „Freiheit und Demokratie sind das Größte, was wir kriegen können“, ergänzt Fuchs.

Ferdinand Mang, Gast-Redner der AfD an diesem Vormittag, Mitglied im Landtag, aus Allersberg, spricht von „Kriegspropaganda“, welche die Medien verbreiteten, von Schwarz-weiß-Denken. Es werde signalisiert, dass die Ukrainer für die gute Sache kämpften und die Russen die Bösen seien. Aber das sei zu einfach. „Wer seine Meinung offen sagt, wird gleich als Nazi abgestempelt“, ruft eine, als „Verräter“, ergänzt Mang. Szenenapplaus. „Ich muss mir seit fünf Jahren den Müll anhören, den dieser Mann verbreitet“, sagt derweil Barbara Fuchs auf der Gegendemonstration.

Veranstalter sind mit dem Gegenprotest zufrieden

Zu Hochzeiten geben rund 150 bis 200 Menschen der AfD auf dem Marktplatz Kontra, schätzt Martin Bauer, Grünen-Kreisrat und Mitveranstalter des Gegenprotests. Politiker und weitere Personen aus dem gesamten Landkreis und darüber hinaus sind gekommen – ein breites Bündnis aus zahlreichen Organisationen. Innerhalb einer Woche sei der Gegenprotest mobilisiert worden, berichtet Bauer. Man habe in Bad Windsheim kein bestehendes Netzwerk gehabt.

Deshalb ist er hochzufrieden mit dem Gegenprotest – angesichts von Kälte, Regen und dem Termin am Karsamstag um 10 Uhr. Bauer: „Wir haben heute ein starkes Zeichen für die Demokratie gesetzt und ein starkes Zeichen gegen rechts.“

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