Nach dem starken Abschneiden der AfD bei den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen will die CDU in beiden Ländern den Regierungschef stellen - es zeichnen sich aber langwierige und komplizierte Koalitionsgespräche ab. Der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) schloss am Montag ein Zusammengehen mit der zweitplatzierten AfD weiter aus und erwägt nun eine Koalition mit SPD und dem neuen Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW).
„Es wird nicht einfach sein. Es wird auch seine Zeit dauern. Aber es ist möglich“, sagte Kretschmer im Deutschlandfunk. Auch in Thüringen möchte CDU-Landeschef Mario Voigt zunächst mit SPD und BSW ins Gespräch kommen.
Das Problem in Thüringen: Ein solches Bündnis aus CDU, SPD und BSW kommt zusammen nur auf 44 Landtagsmandate, 45 wären für eine Mehrheit nötig. Eine Mehrheit hätte dagegen eine Koalition aus CDU, BSW und Linke. Das Dilemma dabei: Ein Unvereinbarkeitsbeschluss verbietet der CDU eine Zusammenarbeit mit AfD oder Linken.
Im Raum steht nun unter anderem die Idee, dass die Linke des bisherigen Regierungschefs Bodo Ramelow künftig eine CDU-geführte Minderheitsregierung toleriert, ohne an der Regierung beteiligt zu sein. „Wir bewegen uns hier in einer neuen Situation“, sagte Voigt bei einer Pressekonferenz mit dem CDU-Bundesvorsitzenden Friedrich Merz und Kretschmer.
Die mit 32,8 Prozent der Stimmen klar stärkste Kraft in Thüringen, die AfD unter Rechtsaußen Björn Höcke, bleibt außen vor: Zwar träumt der 52-Jährige vom Regieren und will den anderen Parteien Gespräche anbieten. Aber diese wollen die Offerte ausschlagen, denn mit der AfD will niemand koalieren.
Macht wächst der vom Landesverfassungsschutz als „gesichert rechtsextremistisch“ eingestuften AfD dennoch zu, denn mit mehr als einem Drittel der Sitze im Landtag verfügt sie über eine sogenannte Sperrminorität und kann wichtige Entscheidungen und Wahlen blockieren, die mit Zweidrittelmehrheit beschlossen werden müssen. Ein Beispiel ist die Wahl von Landesverfassungsrichtern. „Wir werden unsere neu verliehene Gestaltungsmacht nutzen“, sagte der Co-Landesvorsitzende Stefan Möller zu dem Thema.
Die CDU müsse sich nun fragen, ob sie sich in Richtung Linkspartei öffnet, sagte der Politikwissenschaftler Oliver Lembcke der Deutschen Presse-Agentur. Dies würde aber auch zwangsläufig die Diskussion über die Brandmauer nach rechts, zur AfD, neu entfachen, sagte der Experte von der Ruhr-Universität Bochum.
Tatsächlich machte eine prominente Landtagsabgeordnete einen solchen Vorstoß und forderte, die Landes-CDU sollte nicht nur mit der Linkspartei, sondern mit auch der AfD in Sondierungsgespräche gehen. Der Respekt vor dem Wähler gebiete es, mit ihnen auch zu reden, sagte die Präsidentin des Thüringer Landkreistages, Martina Schweinsburg, der dpa.
Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer schloss nach der Landtagswahl wie schon davor eine Zusammenarbeit mit der AfD klar aus - und auch eine Koalition mit der Linken. Über die AfD sagte der CDU-Landeschef und Spitzenkandidat in Berlin: „Die Partei wird eine Oppositionsrolle einnehmen, in der Demokratie ist das eine wichtige Angelegenheit.“
Der Wahlausgang gebe der CDU die Chance auf eine stabile Regierung. Sie zu bilden, werde nicht leicht und gehe auch nicht schnell. Rechnerisch möglich wäre etwa ein Bündnis der CDU mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht und der SPD oder den Grünen.
Den Unvereinbarkeitsbeschluss der CDU, der die AfD und die Linke betrifft, nannte Kretschmer „absolut richtig“. Die AfD habe in diesem Wahlkampf wieder Bösartigkeit und Abschätzigkeit gegenüber der Demokratie und politischen Mitbewerbern unter Beweis gestellt. Mit den Radikalen und Rechtsextremen in der Führung der Partei, „geht es nicht“, das sei auch vor der Wahl klar gewesen.
Der Unvereinbarkeitsbeschluss der CDU besagt, dass diese mit AfD oder Linkspartei weder koalieren noch „ähnliche Formen der Zusammenarbeit“ pflegen darf.
In der Haltung zur Linkspartei gibt es laut Kretschmer aber „graduelle Unterschiede“. Man habe in den vergangenen Jahren verantwortungsvoll zusammengearbeitet, vor einem Jahr etwa einen parteiübergreifenden Beschluss zur Migration verfasst. „Das haben wir gemeinsam getragen, weil auch da klar war, wir haben eine staatsbürgerliche Verantwortung“, sagte er. „Mit dem Unvereinbarkeitsbeschluss ist eine Regierungsbeteiligung gemeint, ist eine strukturelle Zusammenarbeit gemeint.“
Kurios: Bei der Berechnung der Sitzverteilung im neuen sächsischen Landtag gab es eine Panne. Aufgrund eines Softwarefehlers wurde nach der Wahl eine falsche Anzahl der Mandate veröffentlicht, wie die Landeswahlleitung mitteilte. Sie musste das Ergebnis korrigieren.
Demnach bekommen die Grünen und die SPD je einen Sitz mehr, die CDU und die AfD je einen Sitz weniger als zunächst angegeben. Die bisherige Koalition von CDU, Grünen und SPD hat trotz der Veränderung weiterhin keine Mehrheit im neuen Landtag. Durch die Neuberechnung verliert die zweitplatzierte AfD aber die sogenannte Sperrminorität im Land. Nach den zuvor veröffentlichten Zahlen hätte sie auch in Dresden mehr als ein Drittel der Mandate gehabt, dies verpasste sie nun knapp.
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