Die Corona-Maßnahmen sind ausgelaufen. Aber läuft deshalb wieder alles normal in den Schulen und Kitas im Landkreis? Die Antwort: Jein.
Eltern aus dem Landkreis Neustadt/Aisch-Bad Windsheim wandten sich an die Redaktion, weil sie das Gefühl hatten, dass es noch immer vermehrt zu Gruppenschließungen in Kitas kommt oder Unterricht ausfällt. „Seit uns das Coronavirus beehrt hat, ist es scheinbar den Eltern zuzumuten, kurzfristig tagelang ihre Kinder zu betreuen, wenn eigentlich Schule oder Kindergarten wäre“, schreibt eine Mutter.
Sie will wie andere anonym bleiben. Es gehe ihr nicht darum, über Lehrerinnen und Erzieher generell zu schimpfen. Sie äußert sogar die Befürchtung, dass diese sich auch dann in ihre Einrichtung schleppen, wenn sie eigentlich krank sind – um zu verhindern, dass die Kinder nach Hause geschickt werden.
Eine Nachfrage bei Schulamt, Kindergartenaufsicht im Landratsamt, den Geschäftsführern einiger Kitas im Landkreis und in einer Kita ergab: Ja, es gab bis in die jüngere Vergangenheit noch Gruppenschließungen in Kitas und es kommt vereinzelt weiterhin vor, dass Schüler einen Schultag zuhause verbringen. Allerdings scheint sich die Lage allmählich zu normalisieren. „Normal“ bedeutet aber eben nicht, dass alles super ist.
Verschiedene Ansprechpartner reden davon, dass monatelang alles darauf ausgerichtet war, den Betrieb irgendwie aufrechtzuerhalten. Schließungen seien immer nur das aller-, allerletzte Mittel. „Für die Eltern ist das ganz furchtbar. Ich bin selbst Mutter“, sagt zum Beispiel Claudia Diller, die im Landratsamt mit einem Kollegen die Aufsicht über die 82 Kitas im Landkreis hat.
Ihre Zahlen belegen aber auch: Der Landkreis hatte noch hohe Infektionszahlen, als die Welle der Corona-Erkrankungen bundesweit schon wieder abflaute. Erst seit letzter Woche gibt es keine Gruppenschließungen mehr. Am 6. Mai meldete Diller noch neun Gruppen, die Kindergarten- und Krippenkinder nicht mehr besuchen konnten. Im März war der Höchststand an Ausfällen zu verzeichnen – mit jeweils zehn Gruppen in drei Wochen in Folge.
Daniela Nützel, die Leiterin des Friedrich-Oberlin-Kindergartens in Neustadt, kennt das aus eigener Erfahrung: Noch Anfang Mai, bereits nach dem Auslaufen der Corona-Maßnahmen, musste eine Gruppe bei ihr wegen Corona-Erkrankungen im Team geschlossen werden. Sie berichtet, dass ihre Kolleginnen während der Pandemie „schon viel am Limit“ gearbeitet hätten.
Eine Aussage, die man von den beiden Geschäftsführern Johannes Zintz und Gerd Bayer – der eine betreut einige evangelische Kitas im Raum Bad Windsheim, der andere im Raum Neustadt – über viele Einrichtungen hört. Schon relativ früh seien 70 Prozent der Kinder wieder in die Notbetreuung des Oberlin-Kindergartens gekommen, erzählt Nützel. Daneben wurden diejenigen, die Zuhause blieben, mit Videos, Paketen an der Haustüre und vielen weiteren Aktionen betreut.
Dazu kommen Erkrankungen im Team und täglich ein bis zwei Mails mit neuen Richtlinien von staatlicher Seite. „Bei uns wurden wahnsinnig viele Überstunden angehäuft“, sagt Nützel. Trotz der Mailflut fühlte sie sich manchmal allein gelassen: Es habe viele Kann-Bestimmungen gegeben, bei denen man letztlich selbst entscheiden musste.
Schließlich waren die Eltern, wie die ganze Gesellschaft, tief gespalten: Da waren die einen, die selbst sehr ängstlich waren oder zuhause eine Person einer Risikogruppe betreuten – und die anderen, denen die Schutzmaßnahmen viel zu lange dauerten und viel zu weit gingen. Aufgaben wie das Ausstellen der Apothekenscheine für die Tests der Eltern bürdete der Staat den Einrichtungen zusätzlich auf.
„Auch die Eltern sorgten für große Herausforderungen“, sagt deshalb Diller. „Klar: die konnten nicht mehr. Die Nerven waren auf beiden Seiten irgendwann dünn.“ Sie weiß von zwei Kindergartenleitungen, die wegen der Begleiterscheinungen von Corona früher als geplant in den Ruhestand gingen.
Das alles klingt jetzt negativer, als viele der Gesprächspartner es darstellen: Man habe auch viel gelernt, meint Nützel. „Videokonferenzen via Zoom sind für keinen hier mehr ein Thema.“ Man habe nun eine Eltern-Info-App eingerichtet. Und: Das Team sei zusammengewachsen.
Und in der Schule? „Homeschooling gibt es nicht mehr“, stellt Schulamtsleiterin Brigitte Limbacher gleich einmal klar. Allerdings wird das dem einen oder anderen Elternteil kaum auffallen. Denn, schon lange vor Corona und immer noch gibt es stattdessen Lernen in Distanz.
Die Schülerinnen und Schüler werden dabei – wenn es wirklich gar keine andere Möglichkeit mehr gibt – zuhause mit Material versorgt, sei es schriftlich oder online. Man achte dabei darauf, dass nicht eine Klasse mehrere Tage daheimbleiben muss, sondern dass die Belastung auf mehrere Klassen verteilt wird. Eine Notbetreuung wird angeboten. Aktuell werde zu diesem Mittel allerdings nicht häufiger gegriffen als vor der Pandemie. In den letzten Jahren gab es allerdings schon eine Entwicklung, da wird Limbacher deutlich: „Lernen in Distanz hat zugenommen, ganz klar“, sagt sie.
Das lenkt den Fokus auf ein Problem, das schon lange vor Corona entstanden ist: Es fehlt an Personal an Mittelschulen. Es fehlt an Personal in Grundschulen. Es fehlt an Personal in Kitas. Dabei ist der Landkreis noch vergleichsweise gut aufgestellt. Andernorts werden schon Kitas gebaut, die geschlossen bleiben, weil man das nötige Personal nicht findet.
Hier sei es in der Regel zumindest zum Beginn des jeweiligen Schul- oder Kindergartenjahrs möglich, alle Stellen zu besetzen, berichten Johannes Zintz und Gerd Bayer, die Geschäftsführer von insgesamt etwa 20 Kitas im Raum Bad Windsheim und Neustadt. Zu Problemen führen demnach Ausfälle und Erkrankungen unter dem Jahr. Es habe schon einmal ein Jahr lang gedauert, bis die befristete Stelle einer Schwangerschaftsvertretung besetzt werden konnte, berichtet Nützel.
Dieses Problem reicht über den Landkreis hinaus und kann nur von der Politik gelöst werden. Schon jetzt versucht man, sowohl in den Schulen als auch den Kindergärten Unterstützung von außen zu holen. Etwa 60 Verträge mit Nicht-Lehrern, zum Beispiel Unterstützungskräften, Drittkräften, Schulassistenzen und Teamlehrern hat das Schulamt abgeschlossen. „Mittel sind noch da, aber die Köpfe fehlen.“ Im Kindergartenbereich gibt es ähnliche Initiativen.
Einige Maßnahmen dagegen werden im Moment bereits umgesetzt oder zumindest in Betracht gezogen: Reformen der fünf Jahre dauernden Erzieherausbildung, die zu großen Teilen unbezahlt ist, mehr Studienplätze für Lehramtsstudenten (leider mehr im Grund- als im Mittelschulbereich, bedauert Limbacher), die Weiterbildung von pädagogischen Ergänzungskräften (die früheren Kinderpflegerinnen) und vieles mehr.
Die gestiegene Bürokratie und die enge Personaldecke führen nach Einschätzung von Nützel dazu, dass „früher mehr Zeit für das Kind und für die Pädagogik war“. Mit dem gesetzlichen Anspruch auf Ganztagsbetreuung an Grundschulen ab 2026 wird es noch mehr Stellenangebote für pädagogisch geschultes Personal geben. Brigitte Limbacher ergänzt für die Grund- und Mittelschulen: „Es ist alles auf Kante genäht. Viele Dinge, von denen wir geträumt haben, sind nicht möglich.“
Zurück zum Positiven, denn auch Brigitte Limbacher jammert nicht gerne. „Was ich sehe, ist ein erstaunliches Engagement in den Schulen. Es gibt so viel Bemühen darum, dass die Kinder ein sinnvolles, für sie weiterführendes Schuljahr haben.“ Vom Spendenlauf bis zum besonderen Projekt: „Es passiert sehr viel mehr, als man bei der allgemeinen Situation erwarten dürfte.“
Ulli Ganter