Forschung: Zurück zur feineren Wolle von süddeutschen Schafen | FLZ.de

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Veröffentlicht am 10.08.2022 19:43

Forschung: Zurück zur feineren Wolle von süddeutschen Schafen

Andreas Smietana (links) hütet auf dem Triesdorfer Campus die Schafe. Professor Dr. Wilhelm Pflanz und die Doktorandin Natascha Zimmermann wollen erforschen, wie man Tiere mit feineren Wollfasern züchten kann, ohne die Schutzfunktion des Vlieses für die Schafe negativ zu beeinträchtigen.  (Foto: Kristina Schmidl)
Andreas Smietana (links) hütet auf dem Triesdorfer Campus die Schafe. Professor Dr. Wilhelm Pflanz und die Doktorandin Natascha Zimmermann wollen erforschen, wie man Tiere mit feineren Wollfasern züchten kann, ohne die Schutzfunktion des Vlieses für die Schafe negativ zu beeinträchtigen. (Foto: Kristina Schmidl)
Andreas Smietana (links) hütet auf dem Triesdorfer Campus die Schafe. Professor Dr. Wilhelm Pflanz und die Doktorandin Natascha Zimmermann wollen erforschen, wie man Tiere mit feineren Wollfasern züchten kann, ohne die Schutzfunktion des Vlieses für die Schafe negativ zu beeinträchtigen. (Foto: Kristina Schmidl)

Mit der Frage, wie man süddeutsche Schafe so züchten kann, dass ihre Wolle feiner, aber das Tierwohl nicht vermindert ist, beschäftigt sich Natascha Zimmermann in ihrer Doktorarbeit. Ihr Betreuer ist Professor Dr. Wilhelm Pflanz von der Fakultät Landwirtschaft, Lebensmittel und Ernährung der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf.

Pflanz forscht seit vier Jahren zu einem Projekt, in dem es darum geht, die Wertschöpfung der regionalen Wolle wieder zu steigern. Natascha Zimmermanns Promotion baut auf seinen Erkenntnissen auf.

„Regionale und nachhaltige Wolle ist ein hochattraktives Produkt“, findet Pflanz. Um sie in ihrer Wertschätzung wieder in die Gesellschaft zu bringen, muss sie aber erstmal sichtbar gemacht werden.

Dazu wurde auf Initiative von Pflanz 2020 ein Label für regionale, nachhaltige Wolle gegründet. Als solche versteht Pflanz Wolle, die von Schafen aus Süddeutschland stammt, dort erzeugt und möglichst auch verarbeitet wird. Das Label heißt Locwool und wird von der bayerischen und der baden-württembergischen Staatsregierung sowie den Wollerzeuger- und Schafzuchtverbänden beider Länder unterstützt.

Nachhaltigkeit im Vordergrund

„Wir glauben, dass es einen Markt für Produkte aus nachhaltiger, regionaler Wolle aus Süddeutschland gibt“, betont Pflanz. Denn bei Textilien würden Modeaspekte immer mehr in den Hintergrund und Nachhaltigkeitskriterien in den Vordergrund rücken.

Der Hauptkostenfaktor bei der Inwertsetzung süddeutscher Wolle sei nicht die regionale Erzeugung, sondern die Verarbeitung und Vermarktung der Wolle.

„Wolle ist ein hochwertiges Produkt. Es ist ein Privileg, es wiederbearbeiten zu dürfen“, findet Pflanz. Denn Wolle habe viele positive Eigenschaften: Sie wirke etwa dämmend oder wasserabweisend. „Sein Vlies dient dem Schaf als Mantel, der es vor Umwelteinflüssen wie Wind, Regen, Hitze oder Kälte schützt.“

Eher dicke Wolle

Die Wolle süddeutscher Schafe, bei denen es sich größtenteils um Merinolandschafe handle, sei im Vergleich zu Schafswolle aus Australien oder Neuseeland in ihrer Struktur eher dick. Süddeutsche Wolle eigne sich hervorragend als Füllmaterial, für Teppiche, Filze, Walkstoffe und sogar für Obermaterial, erläutert Pflanz. Aber für die Anwendung in Textilien, die direkt auf der Haut getragen werden, seien die Fasern den meisten Verbrauchern zu grob.

Daher müssen wieder Schafe mit feineren Wollfasern gezüchtet werden. Früher hatten die hiesigen Schafe solche Vliese. „Aber dann haben wir die Wolle vernachlässigt“, sagt Pflanz.

Blütezeit im 19. Jahrhundert

Schafhaltung und Wollerzeugung habe vom Ende des 18. bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts eine hohe agrarökonomische Bedeutung in Süddeutschland gehabt. Um 1780 seien die ersten Merinoschafe aus Spanien nach Deutschland geholt und mit hiesigen Landschafen gepaart worden. Daraus seien die Merinolandschafe entstanden.

Ihre Blütezeit hatte die Wollerzeugung in Süddeutschland im 19. Jahrhundert. Mit der Einfuhr der Baumwolle aus Übersee und dem Aufkommen von synthetischen Fasern zu Beginn des 20. Jahrhunderts sei die Nachfrage nach heimischer Wolle zurückgegangen.

Bis 1960 sei Wolle noch eine wichtige Einnahmequelle für Schäfer gewesen. „1950 hat ein Schäfer für ein Kilo Wolle in der Wollverarbeitung in Ulm noch fünf Mark bekommen. Jetzt gibt's vielleicht noch 50 Cent“, gibt Pflanz zu bedenken. Für Wolle von gröberen Landrassen werde oftmals gar nichts bezahlt.

Wichtige Rolle im Naturschutz

Die Einkommensstruktur der Schäfereien hat sich nach seinen Angaben geändert: „Heute leben die Schäfer von Ausgleichsleistungen in der Landschaftspflege“, sagt Pflanz. Die Schäfer spielen eine wichtige Rolle im Naturschutz und sorgen für Biodiversität auf wichtigen ökologischen Flächen. Der Verkauf von Wolle mache vielleicht zwei Prozent des Gesamterlöses eines Schäfers aus, weiß Pflanz.

Feine Wolle zu sortieren, sei durch diese Entwicklung aus dem Fokus geraten, erläutert Natascha Zimmermann. Das soll sich nun ändern. Im Rahmen ihrer Promotion soll die 27-Jährige auch Sortierkurse für junge Schäfer anbieten. „Wir versuchen, die Produktqualität durch Zucht und Sortierung zu verbessern“, sagt sie.

Wenn Schafe mit dünneren Wollfasern gezüchtet werden, müsse ihr Vlies dicht gehalten werden und über genügend Wollfett verfügen. Schließlich müsse das Vlies das Schaf vor Nässe schützen – sonst faule das Vlies und das Tier werde krank.

„Wir wählen für die Zucht Schafe mit vielen Follikeln und feinen, gekräuselten Haaren“, erläutert die Doktorandin. Die Kräuselung sorge für Stabilität im Vlies.

Möglichst viele Schritte in der Region

Bei der Inwertsetzung regionaler Wolle gehe es auch darum, dass möglichst viele Verarbeitungsschritte in der Region stattfinden. Aber eine Wollwäsche zum Beispiel gibt es laut Pflanz in ganz Deutschland nicht mehr. Die Wolle werde zum Waschen ins Ötztal, nach Belgien oder gar nach China gebracht.

Wollwaschanlagen seien in Deutschland schwer rentabel geworden. „Außerdem haben wir hohe Umweltauflagen, die solche Anlagen erfüllen müssten“, sagt Pflanz. Bezüglich anderer Verarbeitungsschritte sei allerdings durchaus noch Infrastruktur in Süddeutschland vorhanden.

Als 14-Jährige war der Weg klar

Um 1900 sei Deutschland der Hotspot der Wollforschung gewesen. „Das war ein riesiges Wissenschaftsgebiet und wir versuchen nun, es an der Hochschule in Triesdorf wieder zu etablieren“, sagt Pflanz.

Für Natascha Zimmermanns Promotion hat die Hochschule ein optisches Analysegerät für Faserdicke aus Australien angeschafft. Damit nimmt die 27-Jährige Messungen vor.

Sie stammt aus Steinheim bei Heidenheim an der Brenz und ist im Mai an die Hochschule in Triesdorf gekommen. Vor ihrer Promotion hat die junge Frau erst an der Universität Hohenheim in Stuttgart Agrarwissenschaften studiert und war danach im Biosphärengebiet Schwäbische Alb tätig. Dort bearbeitete sie Themen wie Regionalmarketing, Landwirtschaft und Schäferei.

Dass die Schäferei ihr Weg sein wird, habe sie schon als 14-Jährige beschlossen, verrät Natascha Zimmermann. „Die Familie einer Freundin, bei der ich oft war, hatte eine Schäferei.“

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