Wenn eine Beziehung toxisch - also giftig - ist, sind Manipulationen, Demütigungen, Kontrolle und Drohungen an der Tagesordnung. Doch nicht nur im Privaten gibt es so etwas. Der Psychologe und TV-Moderator Rolf Schmiel hat ein Buch über „Toxic Jobs“ geschrieben. Im Interview erklärt Schmiel, worauf man achten sollte, damit einen die Arbeit nicht krank macht.
Rolf Schmiel: Das sind berufliche Tätigkeiten, bei der die psychische Belastbarkeit des Mitarbeitenden nachhaltig gefährdet ist. Jobs, die die Seele vergiften. Wenn die Arbeitsdichte die Möglichkeiten und Fähigkeiten des Mitarbeitenden völlig überfordert. Wenn Erwartungen da sind, die man tatsächlich nicht leisten kann. Und die Hauptgründe dafür sind, dass das Menschliche und Soziale im Berufsumfeld völlig verloren gegangen ist.
Schmiel: Es geht um beides: sowohl die Art der Arbeit als auch die Qualität der Beziehungen. Vereinfacht gesagt: Wenn der Job belastend ist in der Struktur, aber die Kollegen toll, dann halten wir es aus. Auch, wenn die Menschen komisch sind, aber der Job per se Freude macht. Wenn aber beides schwierig wird, die Arbeitsdichte unerträglich und die Menschen auch, dann ist der Weg in die Krankheit nicht mehr zu verhindern.
Schmiel: Sehr häufig kommt das in sozialen und pflegenden Berufen vor. Weil es dort einfach zu wenig Leute für die anfallende Arbeit gibt. Wenn in einer Abteilung zehn arbeiten und drei krank sind, dann wird nicht die Arbeitsmenge reduziert, sondern man geht davon aus, dass die sieben anderen das auffangen. Kein Wunder, dass es in solchen Berufen einen deutlich höheren Krankenstand aufgrund psychischer Beeinträchtigungen gibt. Es wird zu einer Kaskade des Unerträglichen.
Schmiel: Die Seele meldet sich in der Nacht. Das heißt, der Schlaf wird deutlich unruhiger, man hat Angstzustände, man hat Probleme beim Einschlafen und wird nachts regelmäßig wach. Hinzu kommt, dass die allgemeine Gereiztheit steigt - und damit verbunden auch die Tendenz zu Kompensationsverhalten, also etwa die Flucht in Essen, Alkohol und andere Süchte.
Schmiel: Es gibt zwei Effekte. Wir erleben vor allem, dass Frauen eine höhere Tendenz haben, relativ zügig ins Burn-out zu gehen und unter Stress-Depression leiden. Das bedeutet, dass sie diesbezüglich lange ausfallen: zwischen drei und sechs Monaten. Aber das realisieren die Arbeitgeber häufig nicht, was es für Folgen hat, wenn sie sich nicht kümmern.
Das ist schon bitter. Aber noch schlimmer ist es, wie man bei Männern häufig erkennen kann, dass sie sich die psychischen Belastungen nicht eingestehen können und dann einfach durchziehen. Bis der Körper kollabiert. Dann sind Rückenschmerzen, schwere Magen-Darm-Erkrankungen und Herzinfarkte die Folgen. Im schlimmsten Fall sind sie nicht mehr arbeitsfähig oder so etwas endet tatsächlich sogar tödlich.
Schmiel: Meistens beginnt es damit, dass die Anforderungen in der Tätigkeit massiv zunehmen und die Mitarbeitenden davon überfordert sind. Doch statt sich zu unterstützen, fangen sie an, sich gegenseitig zu zerfleischen. Da hat man dann eher einen Hass auf die Erkrankten anstelle einer Wut auf das Krankmachende. Das ist wirklich eine Perversion der Situation.
Schmiel: Wenn ich spüre, dass meine Führungskraft schon überfordert ist und den Druck nicht aushält, dann ist die Gefahr, dass der Job toxisch wird, sehr groß. Weil er oder sie dann die Überforderung an mir abreagieren wird. Oft kommen auch irrsinnige Streichungen oder Kürzungen von Leistungen hinzu. Wenn das Unternehmen hunderte von Millionen Euro Umsatz generiert, aber für die Belegschaft das kostenlose Wasser abschafft, dann weißt du, dass die Mitarbeiterorientierung komplett verloren gegangen ist.
Schmiel: Ich brauche sogenannte Gegenwelten. Wer permanent im Leistungsdruck ist, sollte einen Ausgleichssport machen - aber ohne Wettkampfgedanken. Sie können auch einfach joggen oder spazieren gehen, Sie müssen nicht direkt an einem Triathlon teilnehmen! Und wer hart körperlich arbeitet, sollte am Wochenende lieber ins Kino oder ins Museum gehen, statt auch noch im Haus körperlich zu arbeiten. Wir brauchen immer ein Gegengewicht zu dem, was der Beruf mit sich bringt.
Schmiel: Grundsätzlich gilt: Wenn du unter der Arbeit leidest, werde laut! Jeder, der ein psychisches Problem hat und mit anderen darüber spricht, macht das Problem hörbar. Für sich und für andere. Erstmal sollte man privat darüber reden, dann aber auch mit den Kollegen. Um sich klar zu werden: Liegt es an mir oder haben andere auch dieselben Probleme? Und dann gilt: Bevor man zum Chef geht, sollte man sich Unterstützung suchen und sich solidarisieren - etwa mit Kollegen oder dem Betriebsrat.
Schmiel: Das genau eben nicht! Weil das aus seiner Sicht nur Jammern bedeuten würde und ein individuelles Problem. Hilfreicher ist es, ihm gute Ideen zu präsentieren, wie man die Arbeit besser strukturieren kann, und zwar zum Wohl der Firma. Sobald man das in den Mittelpunkt des Gespräches stellt, kann sich der Chef den Vorschlägen nicht entziehen.
Schmiel: Natürlich, dann darf man auch mit über 50 noch über einen Wechsel nachdenken. Die Chancen, eine Job-Alternative zu finden, stehen in der heutigen Zeit gut. Und nicht zuletzt sollte man die alte Weisheit der Bremer Stadtmusikanten beherzigen: „Etwas Besseres als den Tod findest du überall.“
Zur Person: Rolf Schmiel ist Diplom-Psychologe und unter anderem als Autor („Toxic Jobs“, „Psychohacks für ein glückliches Leben“), Vortragsredner, Fernsehmoderator und Podcaster tätig. Er berät Unternehmen und Führungskräfte.
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