Josef Ferstl ist so etwas wie der Pisten-Zerstörer im deutschen Speed-Team. Zwei Torstangen hat der Skirennfahrer aus Traunstein in diesem Winter schon auf seinem Gewissen.
„Ich stehe immer oben und denk mir: Heute geht’s, heute zerreiße ich alles und dann sind es nur die Tore“, scherzte er vor dem Super-G bei der alpinen Ski-WM in Frankreich am Donnerstag (11.30 Uhr/ZDF und Eurosport).
Riskante, aggressive Fahrten sind das Ding des 34-jährigen Routiniers. Zweimal wurde sein Mut schon mit einem Weltcup-Sieg belohnt, unter anderem 2019 im Super-G von Kitzbühel. Doch wer etwas wagt, der verliert auch mal. Folgenschwere Stürze sind Teil von Ferstls Skifahrerleben. Im vergangenen Frühjahr stürzte der Speed-Spezialist und brach sich den Oberarm. Zwölf Schrauben halten den rechten Arm seitdem zusammen. „Man muss riskieren, wenn man vorne mitfahren möchte. Und da sind Ausfälle oder große Fehler unvermeidbar“, sagte Ferstl.
Beim Saisonhöhepunkt in Courchevel will der Athlet vom SC Hammer nun den richtigen Mix finden. Riskieren, ja, aber mit Köpfchen. „Die Schlauheit“ bei gewissen Toren fehle ihm. „Mit Kopf fahren geht mir ein bisschen gerade verloren“, befand der Oberbayer selbst.
In diesem Winter sucht Ferstl noch nach seiner Form. Mit nur einer Fahrt unter die Top Ten startet der Deutsche in die Titelwettkämpfe im französischen Hochgebirge. Diesen oft zitierten Killer-Instinkt spürt er trotzdem. „Bei mir ist der zu 100 Prozent immer da. Ich will da runter, ich nehme Risiko auf mich“, sagte Ferstl.
Mut macht die deutsche WM-Bilanz. Großereignisse können die Schnellsten unter den Alpinen. 2021 holten Andreas Sander, Romed Baumann und Kira Weidle Silber in Cortina d'Ampezzo. Um das Buch der deutschen Wintermärchen um ein weiteres Kapitel fortzuschreiben, braucht Ferstl Gnadenlosigkeit und Köpfchen. Er hat beides, das ist seit Kitzbühel klar. Vielleicht kommt die Mischung im französischen Hochgebirge wieder zum Vorschein.
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