„Kunststoffring“ und „vaginaler Temperatursensor“ klingt jetzt erst mal nicht so sexy. Aber zwei von drei Anwendungsfeldern des Ovularings haben mit Sex zu tun. Denn, wer eine Schwangerschaft entweder vermeiden oder eben auch erreichen will, gehört zur Zielgruppe des Herstellers. Genauso wie diejenigen, die ihren Zyklus erst einmal nur tracken wollen. Und zwar ohne das klassische Thermometer.
Eins vorweg: Der Ovularing ist längst nicht das einzige Produkt auf dem Markt, das das herkömmliche Thermometer ersetzen kann. Infrage kommen etwa auch Pflaster mit NFC-Technologie, tampon-ähnliche Bluetooth-Thermometer oder Tracker im Format eines Fitness-Armbands. Der Ovularing verspricht, im Vergleich allerdings unauffällig und nicht spürbar zu sein, sowie wenig Aufwand zu machen. Wie soll das funktionieren?
Das Produkt besteht aus einem Kunststoffring und einem vaginalen Temperatursensor. Letzterer ist etwa so groß wie das obere Glied eines kleinen Fingers. Er wird in eine entsprechende Fassung des Kunststoffrings gesetzt. Der Ring selbst hat einen Durchmesser von etwa fünf Zentimetern und ist laut Hersteller circa vier Millimeter dick.
Der elastische Ring mit dem eingefassten Sensor wird zu Zyklusbeginn, spätestens am sechsten Tag nach Einsetzen der Periode, in die Vagina eingeführt. Ab jetzt wird alle fünf Minuten die Temperatur gemessen. Das macht 288 Messpunkte täglich.
Auf der Internetseite heißt es, der Ovularing sei so einfach einzusetzen wie ein Tampon. Das stimmt nicht ganz. Ein bisschen Fingerspitzengefühl braucht es schon, um den Ring samt Sensor so zu biegen, dass er problemlos im Inneren verschwindet.
Laut Herstellerversprechen soll man Ring und Sensor nicht spüren. Auch beim Sport und in der Sauna kann er drinbleiben. So viel sei jetzt schon verraten: Das stimmt. Ist der Ring einmal eingesetzt, ist er zumindest in meinem Fall schnell vergessen.
Bis es das erste Mal so weit ist: Nach ein bis zwei Tagen soll ich laut Anleitung das erste Mal Daten übertragen. Mit frisch gewaschenen Händen entferne ich den Ring vorsichtig, nehme den Sensor heraus, reinige beide Teile - und übertrage dann via Bluetooth die Temperaturdaten auf mein Handy. Danach soll zumindest im ersten Zyklus jeder Tag ausgelesen werden. Später ist das nicht mehr so häufig nötig.
Und das geht so: Ich lege den Sensor in meine Handfläche und schaue, dass er grün leuchtet. Wenn nicht, schließe ich die Hand für drei Sekunden, bis er aktiv ist. Danach erkennt mein Handy den Sensor und startet mit der Übertragung. Das dauert keine fünf Sekunden und schon sehe ich eine erste, sehr kurze Kurve in der dazugehörigen App. Im Monatsverlauf wird diese immer länger und aussagekräftiger.
Nicht immer klappt die Verbindung zwischen Sensor und Handy so problemlos. Hier und da muss ich es öfter probieren, bis eine Übertragung stattfindet. Etwa, indem ich die App schließe und wieder öffne oder den Sensor mit der Handyleuchte aktiviere - vermutlich weil es zu dunkel ist.
Ein Mal will der Sensor einfach gar nicht grün leuchten. Also setze ich ihn wieder ein und probiere es am nächsten Tag noch einmal - nun klappt es. Das ist vielleicht kurz etwas nervig, aber kein wirkliches Problem.
Was mich eher stört: Die Messung sollte nicht länger als eine Stunde pro Tag unterbrochen werden. Zwar könnte man den Ring beim Sex theoretisch drin lassen, aber ganz ehrlich: Darauf habe ich erst mal keine Lust. Das heißt für mich, dass es einen gewissen Zeitdruck gibt. Aber gut, der Ovularing ist eben kein Spielzeug, sondern ein medizinisches Produkt. Und die Kurve am Ende des ersten Zyklus entschädigt dafür.
Ich habe mich für die Nutzungsart „Diagnostik“ entschieden. Zur Auswahl standen außerdem „Kinderwunsch“ und „natürliche Verhütung“. Dadurch, dass via Messung die fruchtbare Phase ermittelt wird, kann man sich in dieser Zeit entweder gegen Sex oder für Kondome und Co. entscheiden. Oder im Gegenteil: es darauf ankommen lassen.
Meine Kurve sieht zumindest erst mal aus, wie sie aussehen soll: niedrigere Temperatur in der ersten Hälfte, ein kurzes Absacken, dann ein erkennbarer Anstieg, bevor die Kurve nach ein paar Tagen wieder fällt und der nächste Zyklus beginnt. Würde die Kurve deutlich von diesem Muster abweichen, wüsste ich, dass ein Besuch bei der Ärztin ratsam wäre.
Stephanie Eder arbeitet als Gynäkologin in Gräfelfing bei München und ist Mitglied im Berufsverband der Frauenärzte. Sich mit dem eigenen Zyklus zu befassen, „den eigenen Körper kennenzulernen“, könne sie jeder Frau empfehlen, sagt sie. „Es ist ein beruhigendes Gefühl zu sehen, dass der Zyklus regelmäßig ist - zu sehen, bei mir funktioniert alles.“ Aus eigener Erfahrung kann ich sagen: Sie hat recht.
Die meisten Frauen würden aber erst anfangen, sich intensiver mit ihrem Zyklus zu befassen, wenn sie sich Kinder wünschten. Doch auch zur Verhütung würde sich das Messen der Basaltemperatur gut eignen. Voraussetzung: Die Frau hat wirklich Lust darauf, sich intensiv mit dem eigenen Körper zu befassen und investiert entsprechend Zeit.
Denn es reiche nicht, nur einen Zyklus zu beobachten, sagt Stephanie Eder. „Mindestens drei Zyklen, lieber sechs bis zwölf, sollten es schon sein, um Muster zu erkennen.“ Dafür brauche es nicht zwangsläufig ein „High-Tech-Gerät“ wie den Ovularing. Auch das klassische Thermometer sei eine gute Option.
Gut zu wissen: Es stimmt auch nicht, dass man jeden Tag zur selben Uhrzeit messen muss. „Denn Sie werden mit der Zeit Störgrößen identifizieren, die Einfluss auf ihre Temperatur haben“, sagt Eder. Dazu gehörten etwa schlaflose Nächte oder Alkohol.
Im Vergleich zu Trackern, die die Basaltemperatur quasi von allein messen, ist das tägliche Hantieren mit dem Thermometer trotzdem aufwendig. Bei der Kosten-Nutzen-Abwägung könnte allerdings auch der Preis entscheidend sein: Der Ovularing und die Nutzung der App kosten mindestens 49 Euro pro Monat bei einer Nutzung über zwei Jahre. Bei kürzerer Nutzungsdauer ist der Preis höher. Im Paket inbegriffen: eine Beratung auf Grundlage der individuellen Zyklus-Daten.
Das muss man sich leisten können - und wollen. Tipp: Einige Krankenkassen übernehmen die Kosten etwa bei unerfülltem Kinderwunsch oder Zyklusunregelmäßigkeiten zum Teil oder ganz. Einfach bei der eigenen Kasse nachfragen.
Ich für meinen Teil war von der App etwas enttäuscht. Zwar hat mir die Dokumentation gut gefallen, aber ich hätte mir tiefergehende Informationen gewünscht und musste Detailwissen zusätzlich googeln. Auf dem Online-Portal im Browser sah das anders aus - dort finden sich deutlich mehr Infos. Von Herstellerseite heißt es dazu, dass die App stetig weiterentwickelt wird und die Features aus dem Online-Portal auch dort Platz finden sollen.
Übrigens: Ich habe den Ring dann irgendwann doch völlig vergessen. Und es stimmt, keinen der Beteiligten hat der kleine Sensor gestört.
© dpa-infocom, dpa:241010-930-257370/1