Leon Goretzka hielt beflissen am Ratschlag seines Trainers fest. Der als „Musterprofi“ und „Paradebeispiel“ gefeierte Matchwinner des FC Bayern München schwieg auch zum Ende eines großen Tages. „Leon hat immer gearbeitet, war immer hungrig im Training. Er hat auf die richtige Art reagiert, mit den Füßen, nicht mit Worten“, sagte Trainer Vincent Kompany. Der Belgier ernannte den Nationalspieler a.D. vor dem Start in die Champions-League-Woche mit der Dienstreise nach Rotterdam kurzerhand zum Kollegen-Vorbild. „Ich würde das jedem Profi empfehlen.“
Mit seinem dritten Bundesliga-Doppelpack kürte sich der im Sommer fast aussortierte Goretzka zum umjubelten Star des 3:2 (2:1) gegen den VfL Wolfsburg und sorgte für den perfekten Münchner Neun-Punkte-Jahresstart. „Leon hat keine einfache Zeit gehabt“, sagte Sportvorstand Max Eberl. „Es ist bemerkenswert und bewundernswert, wie er sich reinschmeißt. Er hat sich nicht hängen lassen, er gibt Gas, er hat sich belohnt. Dementsprechend kann man von einem Musterprofi sprechen.“
Die sportliche Führung um Eberl hatte dem für die Heim-Europameisterschaft ausgebooteten Goretzka einen Wechsel im Sommer nahegelegt. Aleksandar Pavlovic gehört die Mittelfeldzukunft in München, João Palhinha kam als kostspieliger Zugang, Joshua Kimmich ist unter Kompany in der Zentrale gesetzt. Wohin also mit dem Box-to-Box-Spieler, der zudem ein üppiges Jahresgehalt kassiert, lautete die Frage.
Der bald 30-Jährige blieb trotz schlechter Aussichten. Die Ausfälle von Pavlovic und Palhinha bescherten Goretzka in dieser Saison nach anfänglich nur auf Mini-Job-Basis bewilligter Arbeitszeit mehr Chancen. Mit zuletzt wiederholten Einsätzen über 90 Minuten sowie einem starken Auftritt gegen Wolfsburg mit über 100 Ballaktionen und einer Passquote von 95 Prozent steigerte er das Selbstvertrauen weiter.
„Wir haben ihm den Rücken gestärkt und wussten, dass seine Zeit kommen wird“, sagte Kapitän Manuel Neuer. „Jeder Spieler wird bei uns gebraucht. Und wenn man weiter hart an sich arbeitet und auch den Kopf nicht in den Sand steckt, dann ist es auch ganz normal, dass man dafür belohnt wird.“
Über eine 180-Grad-Wende in der Zukunftsplanung des bis 2026 an den deutschen Fußball-Rekordmeister gebundenen Goretzka mochte Eberl nicht spekulieren. „Gott sei Dank“ habe der Mittelfeldakteur ja noch einen Vertrag über den Sommer hinaus. Kaderfragen für die neue Saison sind aber trotzdem zu klären. Zumal Mittelfeldtalent Tom Bischof von der TSG 1899 Hoffenheim als Zugang gilt.
„Wir reden jetzt nicht über die neue Saison. Wir reden jetzt darüber, was die Saison betrifft. Da ist er Teil und wird dir hoffentlich helfen, dass wir die größtmöglichen Erfolge einfahren“, sagte Eberl. Neuer hätte nichts dagegen, wenn sein Ruhrpott-Kumpel länger in München bleiben würde. „Wenn er so weiter spielt, spricht natürlich nichts dagegen“, sagte der 38-Jährige.
In Tagen voller Vertrags-Gerüchten um Jamal Musiala, Kimmich & Co. erwartet Neuer nach dem Sieg durch die Goretzka-Tore und einem weiteren Treffer von Michael Olise bald Neuigkeiten. „Ich glaube, dass sich in nächster Zeit einiges tun wird. Und dass man dann auch was verkünden wird - in eigener Sache“, sagte Neuer. Eberl nahm die Prognose locker. „Es ist unser Kapitän. Und intern weiß man da mehr als außen“, sagte der Sportvorstand grinsend.
Der einst immer sehr auskunftsfreudige und eloquente Goretzka gibt nach den vielen Spekulationen und Abschiedsberichten über ihn dagegen praktisch keine Interviews mehr. Nach dem Führungstreffer gegen die Wölfe hielt er demonstrativ die Hände an seine Ohren. Als wolle er genau hinhören, wer noch was zu meckern hat oder ihn doch loben will.
„Er hat viel auf die Schnauze bekommen und ist trotzdem ruhig geblieben. Er hat an sich gearbeitet, auf seine Chance gewartet und das zeichnet ihn aus“, lobte Ex-Vorstandschef Oliver Kahn im ZDF-Sportstudio. Immerhin 20 Pflichtspieleinsätze stehen schon in der Saison-Bilanz von Goretzka, der vom Standstreifen auf die Überholspur wechselte.
„Er ist schon ein Paradebeispiel für jeden in der Kabine, der vielleicht ein bisschen hintendran ist, der jetzt nicht so viel Spielzeit hat“, sagte Mittelfeldkollege Joshua Kimmich. „Es geht immer schnell. Und im Fußball geht es vor allem immer um Leistung. Und wenn du kontinuierlich gute Leistungen zeigst, dann stehst du auf dem Platz.“
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