Menschen in Not haben nicht immer einen geraden Lebensweg hinter sich. Manchmal haben sie Fehler gemacht, und trotzdem brauchen sie Hilfe und eine neue Chance. Die Straffälligenhilfe betreut viele solcher Klienten. Einer ist der 19-jährige Camil N. (Name geändert).
Seit seinem zweiten Lebensjahr wohnt er bei Adoptiveltern. Seinen leiblichen Vater kennt er nicht, die Mutter lebt in Bangkok. „An demselben Tag, an dem ich geboren bin, ist meine Oma gestorben“, erzählt Camil N. - die Mutter war überfordert, schließlich gab sie das Kind weg.
Die Konflikte mit den Adoptiveltern nahmen im Lauf der Jahre zu. „Ich kann mich schwer an Regeln halten“, gibt Camil N. zu. Auch sonst kam er im Leben bisher schwer zurecht. Nach einem Suizidversuch landete er in der geschlossenen Psychiatrie. Vier Monate später wurde er entlassen. Zu den Adoptiveltern konnte er nicht mehr zurück. Nach dem Vorfall wollten sie ihn nicht mehr aufnehmen, sagt er. Es sei der Tropfen gewesen, der das Fass zum Überlaufen gebracht habe.
Camil N. ist kein unbeschriebenes Blatt. Mehrfach wurde er straffällig: Diebstahl, Körperverletzung, Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz. Eine Rolle spielt dabei auch seine Cannabis-Abhängigkeit.
Mittlerweile wird er von einer gesetzlichen Betreuerin unterstützt, unter anderem in finanziellen Angelegenheiten. Camil N. muss lernen, sein Geld einzuteilen, damit es für die wirklich wichtigen Dinge reicht.
Als feststand, dass er nicht in sein Zuhause zurückkann, wandte sich die gesetzliche Betreuerin an die Straffälligenhilfe, denn diese unterstützt auch Obdachlose. Die Organisation stellte ihm eine ihrer Übergangswohnungen zur Verfügung, doch bald gab es Probleme: Streit mit dem Mitbewohner, Drogenkonsum in der Wohnung und ein gemeinsamer Einbruch. Beide mussten ausziehen. Derzeit lebt Camil N. in einer Obdachlosenunterkunft, die er mit zwei weiteren Mitbewohnern teilt.
Die Straffälligenhilfe hat die Erziehungsbeistandschaft übernommen. Sozialpädagogin Melissa Grocholla betreut ihn einige Stunden in der Woche. „Es ist viel Bedarf da“, sagt sie. Besonders dringend sei die Wohnsituation. Grocholla möchte ihren Klienten in ein normales Wohnverhältnis bringen. Eine Obdachlosen-Unterkunft „ist kein Ort, um zur Ruhe zu kommen“ und psychisch stabil zu werden, macht sie deutlich. Das aber wäre wichtig, denn erst dann kann ihr Klient auch seine berufliche Zukunft in Angriff nehmen.
Camil N. hat die Mittlere Reife. Kurz nach dem Klinikaufenthalt begann er im September eine Ausbildung. Vielleicht zu früh. „Sich acht Stunden zu konzentrieren, fällt ihm schwer“, stellt Grocholla fest. Der Grund könnte in einer Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) liegen, die bei ihm diagnostiziert wurde. Er verlor die Ausbildung wieder.
Seine Emotionen können vom einen auf den anderen Moment umschlagen, er wird schnell wütend. In der Klinik sei auch eine Impulskontrollstörung festgestellt worden, sagt Camil N.. Betroffene haben Schwierigkeiten, ihr Verhalten zu kontrollieren und schaden sich dadurch selbst. Aktuell bezieht der 19-Jährige Leistungen vom Jobcenter. Er sucht einen Mini-Job, um sich an die Struktur einer Arbeitsstelle zu gewöhnen, denn nächstes Jahr möchte er eine neue Ausbildungsstelle finden. Sein Traum wäre, als Kfz-Mechatroniker zu arbeiten.
Melissa Grocholla registriert seine Bemühungen, Ziele in Angriff zu nehmen. Die Termine nehme er sehr zuverlässig wahr. „Er kann Dinge umsetzen, aber er braucht engmaschigen Kontakt“, betont sie. Noch sei er unselbstständig und denke oft nicht über die Konsequenzen seines Handelns nach. Daran arbeitet sie mit ihm.
Von einer Spende der FLZ-Leser würde Camil N. Winterklamotten und Schuhe kaufen sowie einen Grundvorrat an Lebensmitteln. Weil er den Umgang mit Geld erst lernen muss, verwaltet die Straffälligenhilfe das Geld, sollte er eine Spende bekommen. Melissa Grocholla versichert: „Wir gehen gemeinsam einkaufen.“
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